Wer nicht vorausdenkt, sondern seine Gegner zu leicht nimmt, wird gewiß von ihnen
gefangen. Wenn die Armee lagern soll, dann überquere Berge rasch und halte dich in der
Nähe von Tälern auf.
Wudu Qiang war ein Räuberhauptmann zur Zeit der späten Han, etwa im Jahre
50 n. Chr., und Ma Yuan wurde geschickt, um seine Bande aufzulösen. Da
Qiang einen Schlupfwinkel in den Bergen gefunden hatte, machte Ma Yuan
keinen Versuch, einen Kampf zu erzwingen, sondern besetzte alle wichtigen
Positionen und kontrollierte die Nachschubwege für Wasser und Geräte. Qiang
gingen bald die Vorräte aus, und er war so verzweifelt, daß ihm nichts
übrigblieb, als kampflos aufzugeben. Er kannte nicht den Vorteil, sich in der
Nähe von Tälern zu halten.
Lagere an hohen, sonnigen Orten. Nicht auf Bergen, sondern auf Erhebungen oder Hügeln,
die aus dem Umland emporragen. Klettere nicht auf Anhöhen, um zu kämpfen.
Entferne dich sofort von einem Fluß, nachdem du ihn überquert hast. Wenn eine eindringende
Streitmacht beim Marschieren einen Fluß überquert, dann stelle sie nicht mitten im Strom.
Das beste ist, die Hälfte der Armee hinüber zu lassen und dann anzugreifen.
Li Chuan berichtet von dem großen Sieg, den Han Xin etwa 100 v. Chr. am
Fluß Wei über Long Zhu errang: Die beiden Armeen bezogen einander
gegenüber an den Flußufern Stellung. In der Nacht befahl Han Xin seinen
Männern, mehr als zehntausend Säcke mit Sand zu füllen und ein Stück
stromaufwärts einen Damm zu bauen. Dann führte er die Hälfte seiner Armee
hinüber und griff Long Zhu an; doch nach einer Weile tat er so, als wäre sein
Angriff gescheitert und zog sich eilig auf sein Ufer zurück. Long Zhu war
entzückt über diesen unerwarteten Erfolg und rief: »Ich wußte, daß Han Xin ein
Feigling ist!« Er verfolgte ihn und begann seinerseits, den Fluß zu überqueren.
Nun schickte Han Xin einige Männer flußaufwärts, um die Sandsäcke
aufzuschlitzen und so den Fluten freien Lauf zu lassen. Das Wasser strömte
herab und hinderte den größten Teil von Long Zhus Armee daran, den Fluß zu
überqueren. Dann stellte Han Xin den Teil der Truppe, der abgeschnitten war,
und vernichtete ihn; Long Zhu selbst war unter den Getöteten. Der Rest der
Armee auf dem anderen Ufer löste sich auf, und die Männer flohen in alle
Richtungen.
Wenn du kämpfen willst, dann stelle den Eindringling nicht in der Nähe eines Flusses, den er
überqueren muß. Vertäue dein Schiff statt dessen oberhalb vom Feind, und zwar gegen die
Sonne. Fahre nicht stromauf, um dich dem Feind zu stellen. Deine Flotte darf nicht stromab
vom Feind verankert sein, denn sonst könnte der Feind die Strömung für sich nutzen und dich
mit Leichtigkeit bezwingen.
Wenn du Salzsümpfe überquerst, muß es deine einzige Sorge sein, sie ohne Verzögerung
rasch hinter dir zu lassen, denn dort gibt es kein Süßwasser, die Tiere finden kein Futter, und
schließlich sind diese Gegenden niedrig gelegen, flach und ungeschützt. Falls du gezwungen
bist, in einem Salzsumpf zu kämpfen, solltest du darauf achten, Wasser und Gras in der Nähe
zu haben und ein Gehölz im Rücken.
Auf trockenem, ebenem Grund suche dir eine leicht zugängliche Stellung mit ansteigendem
Gelände zu deiner Rechten und hinter dir, so daß die Gefahr vor dir ist und die Sicherheit in
deinem Rücken.
Jede Armee zieht hohes Gelände niedrigem vor, sonnige Positionen den dunklen. Flaches
Gelände ist nicht nur feucht und ungesund, sondern auch ein Nachteil im Kampf. Wenn du
auf die Gesundheit deiner Männer achtest und auf hartem Untergrund lagerst, wird deine
Armee von jeder Krankheit verschont bleiben, und dies wird dir zum Sieg verhelfen.
Wenn du einen Hügel oder ein Flußufer erreichst, dann besetze die sonnige Seite und achte
darauf, daß der Hang rechts in deinem Rücken ist. Dies ist besser für deine Soldaten, und du
nutzt die natürlichen Vorteile des Geländes für dich.
Wenn dagegen durch schwere Gewitter im Oberland ein Fluß, den du überqueren willst,
angeschwollen ist und Schaumkronen hat, dann warte, bis die Strömung nachläßt. Gelände, in
dem es Schluchten mit Gebirgsströmen gibt, tiefe natürliche Senken, von Schranken
umgebene Stellen, undurchdringliche Dickichte, Sümpfe und Bodenspalten, solltest du
meiden oder mit höchstmöglicher Geschwindigkeit verlassen. Während wir uns von solchen
Orten fernkalten, sollten wir den Feind zu ihnen hintreiben; während wir mit dem Gesicht zu
ihnen stehen, sollte der Feind sie im Rücken haben.
Wenn es in der Nähe deines Lagers hügeliges Gelände gibt, Teiche, die von Wasserpflanzen
umgeben sind, schilfbestandene Becken oder Wälder mit dichtem Unterholz, dann müssen sie
sorgfältig erkundet und durchsucht werden; denn dies sind Orte, an denen der Feind uns einen
Hinterhalt legen oder heimtückische Spione sich verstecken könnten.
Wenn der Feind in der Nähe ist und sich still verhält, dann baut er auf die natürliche Stärke
seiner Position. Wenn er sich überheblich gibt und versucht, einen Kampf zu provozieren,
dann will er, daß du den ersten Schritt tust. Wenn sein Lagerplatz leicht zugänglich ist, dann
wirft er einen Köder aus.
Bewegen sich die Bäume eines Waldes, so ist das ein Zeichen für das Näherrücken eines
Feindes. Wenn ein Kundschafter sieht, daß die Bäume eines Waldes sich bewegen und
schwanken, sollte er erkennen, daß der Feind im Begriff ist, sie zu fällen, um einen Weg für
seine Truppen zu bahnen. Das Auftauchen einiger Schutzschilde in dichtem Gras bedeutet,
daß der Feind uns mißtrauisch machen will.
Wenn Vögel in ihrem Flug plötzlich höher steigen, ist dies ein Zeichen für einen Hinterhalt an
der Stelle unter ihnen. Das Erschrecken wilder Tiere weist darauf hin, daß ein
Überraschungsangriff bevorsteht.
Wenn Staub in einer hohen Säule emporsteigt, ist das ein Zeichen für näherrückende Wagen;
wenn der Staub niedrig bleibt und sich über ein weites Gebiet ausbreitet, ist das ein Zeichen
für das Vorrücken von Infanterie. Wenn der Staub sich in verschiedene Richtungen verstreut,
bedeutet dies, daß Gruppen zum Sammeln von Feuerholz ausgeschickt wurden. Einige wenige
Staubwolken, die sich hin und her bewegen, zeigen an, daß die Armee lagert.
Demütige Worte und eifrige Vorbereitungen sind Zeichen dafür, daß der Feind vorrücken
wird. Eine gemeine Sprache und wütendes Anstürmen, als wolle er angreifen, ist ein Zeichen
dafür, daß er sich zurückziehen wird. Wenn die leichten Wagen zuerst kommen und an den
Flügeln Position beziehen, ist es ein Zeichen, daß der Feind sich zum Kampf aufstellt.
Friedensvorschläge, die nicht von einem beschworenen Abkommen begleitet werden, deuten
auf einen Schachzug hin. Wenn es viel Unruhe gibt und die Soldaten sich in Reih und Glied
aufstellen, bedeutet dies, daß der entscheidende Augenblick gekommen ist. Wenn zu sehen
ist, daß einige vorrücken und einige sich zurückziehen, ist es eine Täuschung.
Im Jahre 279 v. Chr. hatte Tian Dan vom Staate Qi bei der Verteidigung der
Stadt Jimo einen schweren Stand gegen die Streitkräfte von Yan, die von Qi Jie
angeführt wurden.
Tian Dan sagte öffentlich: »Meine einzige Sorge ist, daß die Yan-Armee ihren
Qi-Gefangenen die Nasen abschneidet und sie in die erste Reihe stellt, damit sie
gegen uns kämpfen. Das wäre der Untergang unserer Stadt.«
Die andere Seite, die von seiner Rede erfuhr, führte diesen Einfall sofort aus.
Doch die Menschen in der Stadt wurden zornig, als sie ihre verstümmelten
Mitbürger sahen, und fürchteten um so mehr, dem Feind in die Hände zu fallen.
Sie kämpften und verteidigten sich hartnäckiger als je zuvor.
Tian Dan schickte abermals übergelaufene Spione zum Feind zurück, die diese
Worte berichteten: »Was ich am meisten fürchte, ist, daß die Männer von Yan
die Gräber unserer Vorfahren außerhalb der Stadt freilegen und unsere Herzen
schwächen, indem sie unseren Vorvätern diese Schande antun.« Und sofort
gruben die Belagerer alle Gräber aus und verbrannten die Leichen, die in ihnen
lagen. Und die Einwohner von Jimo, die diese Schändung von der Stadtmauer
aus beobachteten, weinten heftig und konnten es kaum erwarten,
hinauszustürmen und zu kämpfen, denn ihr Zorn war zehnmal größer als zuvor.
Tian Dan wußte nun, daß seine Soldaten für jedes Unternehmen bereit waren.
Doch statt eines Schwertes nahm er eine Hacke in die Hände und befahl, an
seine besten Krieger ebenfalls Hacken zu verteilen, während die Reihen durch
ihre Frauen und Konkubinen ergänzt wurden. Dann ließ er die übriggebliebenen
Rationen verteilen und forderte seine Männer auf, sich satt zu essen. Den
gewöhnlichen Soldaten wurde befohlen, sich außer Sicht zu halten, und die
Mauern wurden mit älteren und schwächeren Männern und mit Frauen besetzt.
Darauf wurden Botschafter zum Lager des Feindes geschickt, um die
Bedingungen für eine Kapitulation auszuhandeln, worauf die Yan-Armee in
Freudenschreie ausbrach. Tian Dan sammelte außerdem unter seinem Volk
zwanzigtausend Unzen Silber und veranlaßte die reichen Bürger von Jimo, das
Silber zum Yan-General zu schicken mit der Bitte, er möge verhindern, daß ihre
Häuser geplündert und die Frauen mißhandelt würden, wenn die Stadt
kapitulierte.
Qi Jie, der guter Dinge war, wollte diese Bitte erfüllen, doch seine Armee wurde
immer nachlässiger und sorgloser. Tian Dan sammelte unterdessen tausend
Ochsen, bedeckte sie mit Tüchern aus roter Seide, malte ihre Körper mit
farbigen Streifen an, damit sie wie Drachen aussahen, und befestigte scharfe
Klingen an ihren Hörnern und geölte Binsen an ihren Schwänzen. Als die Nacht
kam, entzündete er die Enden der Binsenbüschel und trieb die Ochsen durch
einige Löcher, die er in die Mauern gebrochen hatte, hinaus, und schickte
fünftausend ausgesuchte Krieger hinterher. Die vor Schmerz irren Tiere rasten
zornig ins Lager des Feindes, wo sie Verwirrung und Entsetzen verursachten;
denn ihre Schwänze wirkten wie Fackeln und beleuchteten die schrecklichen
Muster auf ihren Körpern, und die Waffen auf ihren Hörnern verwundeten
jeden, der ihnen in den Weg kam. In der Zwischenzeit waren die Fünftausend
mit Knebeln in den Mündern herangekrochen und warfen sich auf den Feind. Im
gleichen Augenblick erhob sich in der Stadt ein schrecklicher Lärm; die
Zurückgebliebenen sollten soviel Krach wie möglich machen, indem sie
Trommeln schlugen und auf Bronzekrüge hämmerten, bis das Getöse Himmel
und Erde erschütterte.
Die erschreckte Yan-Armee floh Hals über Kopf und wurde sofort von den
Männern von Qi verfolgt, die schließlich auch den General Qi Jie erschlugen.
Das Ergebnis dieser Schlacht war die Rückeroberung von etwa siebzig Städten,
die zum Staate Qi gehört hatten.
Wenn die Soldaten sich beim Stehen auf ihre Speere stützen, dann sind sie schwach vor
Hunger. Wenn jene, die zum Wasserholen geschickt werden, zuerst selbst trinken, dann leidet
die Armee an Durst. Wenn der Feind einen Vorteil sieht und keinen Versuch macht, ihn zu
nutzen, sind die Soldaten erschöpft.
Wenn sich Vögel an einer Stelle sammeln, ist sie nicht besetzt: eine nützliche Art
festzustellen, ob der Feind heimlich sein Lager verlassen hat.
Lärm in der Nacht verrät Nervosität. Furcht macht ruhelos, so daß die Männer nachts laut
rufen, um nicht den Mut zu verlieren. Wenn es Unruhe im Lager gibt, ist die Autorität des
Generals schwach. Wenn die Banner und Flaggen bewegt werden, steht eine Meuterei bevor.
Wenn die Offiziere zornig sind, bedeutet das, daß die Männer müde sind.
Wenn eine Armee die Pferde mit Korn füttert und das Vieh schlachtet, um zu essen, und wenn
die Männer ihre Kochtöpfe nicht über die Lagerfeuer hängen und damit zeigen, daß sie nicht
zu ihren Zelten zurückkehren werden, dann mußt du wissen, daß sie entschlossen sind, bis
zum Tode zu kämpfen.
Der Rebell Wang Guo von Liang belagerte die Stadt Chencang, und Huangfu
Song, der das Oberkommando hatte, und Dong Zhuo wurden gegen ihn
ausgesandt. Dong Zhuo drängte darauf, schnell zu handeln, doch Song wollte
nicht auf seinen Rat hören. Schließlich waren die Rebellen. völlig erschöpft und
begannen, ohne Aufforderung die Waffen zu strecken.
Song wollte nun zum Angriff vorrücken, doch Zhuo sagte: »Es ist ein Prinzip
des Krieges, verzweifelte Männer nicht zu verfolgen und eine Truppe, die sich
zurückzieht, nicht zu bedrängen.«
Song antwortete: »Das gilt hier nicht. Was ich angreifen will, ist eine halb
aufgelöste Armee, keine Truppe im Rückzug. Ich falle mit disziplinierten
Truppen über einen wilden Haufen her und nicht über eine Gruppe verzweifelter
Männer.« Darauf blies er auch ohne die Hilfe seines Kollegen zum Angriff und
vernichtete den Feind. Wang Guo wurde erschlagen.
Wenn Gesandte mit Artigkeiten geschickt werden, ist es ein Zeichen, daß der Feind einen
Waffenstillstand wünscht. Wenn die Truppen des Feindes zornig heranstürmen und lange vor
uns stehen, ohne den Kampf zu beginnen oder unseren Abzug zu verlangen, erfordert die
Lage große Wachsamkeit und Umsicht.
Überheblich zu beginnen und danach vor der Zahl des Feindes zurückzuschrecken ist ein
Beweis für einen außergewöhnlichen Mangel von Intelligenz.
Wenn unsere Truppen dem Feind zahlenmäßig auch nicht überlegen sind, so reicht das doch
aus; es bedeutet nur, daß ein direkter Angriff nicht möglich ist. Was wir tun können, ist
einfach, unsere ganze verfügbare Kraft zu konzentrieren, den Feind genau zu beobachten und
auf Verstärkung zu warten.
Der Anblick von Männern, die in kleinen Gruppen flüsternd zusammenstehen oder halblaut
miteinander sprechen, ist ein Hinweis auf Unzufriedenheit in den Reihen. Zu häufige
Belohnungen sind ein Zeichen dafür, daß der Feind am Ende seiner Kräfte ist, denn wenn eine
Armee bedrängt ist, besteht immer die Gefahr einer Meuterei, und es werden großzügige
Belohnungen gegeben, um die Männer bei Laune zu halten. Zu viele Bestrafungen sind ein
Anzeichen für schlimme Nöte, denn in solchen Situationen läßt die Disziplin nach, und
unnachgiebige Strenge ist nötig, um die Männer an ihre Pflichten zu erinnern.
Wenn Soldaten bestraft werden, bevor du sie für dich gewonnen hast, werden sie nicht
unterwürfig sein; und wenn sie nicht unterwürfig sind, werden sie praktisch nutzlos sein.
Werden jedoch, sobald die Soldaten dir zugetan sind, die verdienten Strafen nicht verhängt,
dann werden die Männer ebenfalls nutzlos sein. Deshalb müssen Soldaten vor allem
menschlich behandelt, doch mit eiserner Disziplin unter Kontrolle gehalten werden. Dies ist
eine sichere Straße zum Sieg.
Yanzi (493 v. Chr.) sagte über Sima Xiangru: Wegen seiner zivilen Tugenden
war er beim Volk beliebt, vor seinem Kampfesmut erzitterten die Feinde. Der
ideale Kommandant vereint Kultur mit einer kriegerischen Wesensart; der Beruf
des Soldaten erfordert eine Kombination von Strenge und Nachsicht.
Wenn bei der Ausbildung der Soldaten jeder Verstoß bestraft wird, dann wird die Armee gut
diszipliniert sein; wenn nicht, wird die Disziplin schlecht sein.
Wenn ein General sein Vertrauen zu seinen Männern zeigt, doch immer darauf besteht, daß
seine Befehle befolgt werden, dann werden beide einen Gewinn daraus ziehen. Die Kunst,
Befehle zu geben, besteht darin, bei kleinen Verstößen nicht zu hart zu strafen und bei kleinen
Zweifeln nicht zu schwanken. Unsicherheit und übergroße Strenge sind die sichersten
Methoden, das Selbstvertrauen einer Armee zu untergraben.
九变篇
孙子曰:凡用兵之法,将受命于君,合军聚众,圮地无舍,衢地交合,绝地无留,围地则谋,死地则战。
途有所不由,军有所不击,城有所不攻,地有所不争,君命有所不受。
故将通于九变之利者,知用兵矣;将不通于九变之利者,虽知地形,不能得地之利矣;治兵不知九变之术,虽知五利,不能得人之用矣。
是故智者之虑,必杂于利害。杂于利,而务可信也;杂于害,而患可解也。
是故屈诸侯者以害,役诸侯者以业,趋诸侯者以利。
故用兵之法,无恃其不来,恃吾有以待也;无恃其不攻,恃吾有所不可攻也。
故将有五危:必死,可杀也;必生,可虏也;忿速,可侮也;廉洁,可辱也;爱民,可烦也。凡此五者,将之过也,用兵之灾也。覆军杀将,必以五危,不可不察也。
[ 本帖最后由 apfel 于 2007-4-11 00:18 编辑 ] X. Terrain
Wir können sechs Arten von Terrain unterscheiden: zugängliches Gelände, behinderndes
Gelände, ausgleichendes Gelände, enge Pässe, steile Anhöhen, Positionen, die weit vom
Feind entfernt sind. Gelände, das von beiden Seiten frei betreten werden kann, wird
zugänglich genannt. In diesem Gelände bekämpfst du den Feind, indem du die erhöhten und
sonnigen Stellen besetzt und sorgfältig darauf achtest, daß deine Nachschublinien nicht
unterbrochen werden. Dann kannst du mit einem Vorteil auf deiner Seite kämpfen.
Gelände, das verlassen werden kann, das jedoch schwer zurückzuerobern ist, wird behindernd
genannt. Wenn der Feind unvorbereitet ist, kannst du aus einer solchen Position vorpreschen
und ihn schlagen. Doch wenn der Feind auf dein Kommen vorbereitet ist und du ihn nicht
schlägst, dann ist dir, da die Rückkehr nicht möglich ist, die Niederlage sicher.
Wenn die Position so ist, daß keine Seite gewinnt, wenn sie den ersten Schritt tut, wird das
Gelände ausgleichend genannt, und die Situation ist festgefahren. Auch wenn in einer solchen
Situation der Gegner einen attraktiven Köder anbietet, ist es ratsam, nicht vorzudringen;
sondern sich zurückzuziehen, um dadurch umgekehrt den Feind zu verlocken; wenn dann ein
Teil seiner Armee herausgekommen ist, kannst du angreifen und hast den Vorteil auf deiner
Seite.
Wenn du enge Pässe vor deinem Feind besetzen kannst, dann lege dort starke Truppen in
Garnison und warte das Kommen des Feindes ab. Wenn der Feind dir mit der Besetzung eines
Passes zuvorkommt, dann verfolge ihn nicht, wenn der Paß voll bemannt ist, sondern nur,
wenn er schwach bemannt ist.
Wenn du bei steilen Anhöhen deinem Gegner voraus bist, dann besetze die erhöhten und
sonnigen Stellen und warte, bis er heraufkommt.
Zhang You berichtet von Pei Xingjian (619 - 682 n. Chr.), der auf eine
Strafexpedition gegen die Turkemenen geschickt wurde ,die folgende Anekdote.
Bei Einbruch der Nacht schlug er wie üblich sein Lager auf, und es war bereits
mit einem Wall und einem Graben völlig befestigt, als er plötzlich den Befehl
gab, daß die Armee auf einem Hügel in der Nähe lagern sollte. Dies mißfiel
seinen Offizieren sehr; sie protestierten laut: gegen die zusätzlichen Muhen, die
sie ihren Männern zumuten mußten. Pei Xingjian harte jedoch nicht auf ihre
Klagen und ließ das Lager so schnell wie möglich verlegen. In der gleichen
Nacht erhob sich ein schrecklicher Sturm, der ihren alten Lagerplatz zwölf Fuß
tief überflutete. Die zuvor störrischen Offiziere waren bei diesem Anblick
erstaunt und räumten ein, daß sie sich geirrt hatten.
»Woher wußtest du, daß dies geschehen würde?« fragten sie.
Pei Xingjian erwiderte: »Von diesem Zeitpunkt an werdet ihr euch damit
zufriedengeben, Befehlen zu gehorchen, ohne unnötige Fragen zu stellen.«
Vergiß nicht: Wenn der Feind steile Anhöhen vor dir besetzt hat, darfst du ihm nicht folgen,
sondern mußt dich zurückziehen und ihn fortlocken.
In Positionen, die weit vom Feind entfernt sind, ist es, wenn die Armeen gleich stark sind,
nicht leicht, eine Schlacht zu provozieren, und ein Kampf wäre für dich von Nachteil.
Manchmal gerät eine Armee in eine Notlage, die keine natürlichen Gründe hat, sondern auf
Fehlern beruht, für die der General verantwortlich ist. Dies sind: Flucht; Insubordination;
Zusammenbruch; Ruin; Desorganisation; Niederlage.
Wenn zwei Streitkräfte aufeinanderprallen, von denen die zweite zehnmal so groß ist wie die
erste, so wird, vorausgesetzt, die anderen Bedingungen sind gleich, das Ergebnis die Flucht
der ersten sein.
Wenn die gemeinen Soldaten zu stark und die Offiziere zu schwach sind, dann ist das
Ergebnis Insubordination.
Du Mu erwähnt das unglückliche Schicksal von Tian Bu, der im Jahre 821 nach
Wei geschickt wurde mit dem Befehl, eine Armee gegen Wang Ting-cou zu
führen. Doch die ganze Zeit über, da er das Kommando führte, behandelten
seine Soldaten ihn mit äußerster Verachtung und verspotteten öffentlich seine
Autorität, indem sie auf Eseln durchs Lager ritten, manchmal mehrere tausend
gleichzeitig. Tian Bu war machtlos und konnte dieses Betragen nicht
unterbinden, und als er nach einigen Monaten den Versuch unternahm, den
Feind zu stellen, machten seine Truppen kehrt und verstreuten sich in alle
Richtungen. Danach beging der unglückliche Mann Selbstmord, indem er sich
die Kehle durchschnitt.
Wenn die Offiziere zu stark und die gemeinen Soldaten zu schwach sind, ist das Ergebnis der
Zusammenbruch. Wenn die höheren Offiziere zornig und ungehorsam sind und bei der
Berührung mit dem Feind nach eigenem Ermessen und aus einem Gefühl der Abneigung
heraus zur Schlacht rufen, bevor der Oberbefehlshaber entscheiden kann, ob die Position für
einen Kampf geeignet ist oder nicht, dann ist das Ergebnis Ruin.
Wenn der General schwach ist und ohne Autorität; wenn seine Befehle nicht klar und deutlich
sind; wenn den Offizieren und Mannschaften keine festgelegten Pflichten übertragen sind und
die Reihen unordentlich und willkürlich aufgestellt werden, ist das Ergebnis schlimmste
Desorganisation.
Wenn ein General, der nicht fähig ist, die Stärke des Feindes einzuschätzen, zuläßt, daß eine
unterlegene Streitmacht eine überlegene angreift, oder wenn er eine schwache Abteilung
gegen eine starke in den Kampf wirft und es versäumt, ausgewählte Soldaten in die erste
Reihe zu stellen, muß das Ergebnis die Niederlage sein.
Es gibt sechs Möglichkeiten, die Niederlage herauszufordern: das Versäumnis, die Stärke des
Feindes einzuschätzen; das Fehlen von Autorität; unzureichende Ausbildung;
ungerechtfertigter Zorn; Nichtbeachtung der Disziplin; das Versäumnis, ausgewählte Männer
einzusetzen. All dies muß umsichtig von dem General beachtet werden, der einen
verantwortungsvollen Posten inne hat.
Die natürliche Geländeform ist der beste Verbündete des Soldaten; doch die Fähigkeit, den
Feind einzuschätzen, die zum Sieg führenden Kräfte zu kontrollieren, die Schwierigkeiten,
Gefahren und Entfernungen genau zu kalkulieren - dies ist die Prüfung für einen großen
General. Wer diese Dinge kennt und im Kampf sein Wissen in die Praxis umsetzt, gewinnt
seine Schlachten. Wer sie nicht kennt oder sein Wissen nicht in der Praxis beweist, wird
gewiß geschlagen.
Wenn sicher ist, daß der Kampf mit. einem Sieg endet, dann mußt du kämpfen, auch wenn der
Herrscher es verbietet; wenn der Kampf nicht mit einem Sieg enden wird, dann darfst du nicht
kämpfen, auch wenn der Herrscher es befiehlt.
Der General, der angreift, ohne nach Ruhm zu schielen, und sich zurückzieht, ohne Ungnade
zu fürchten, dessen einziger Gedanke der Schutz des Landes und der Dienst für seinen
Herrscher ist, dieser General ist das Juwel des Königreichs.
Betrachte deine Soldaten wie deine Kinder, und sie werden dir in die tiefsten Täler folgen;
betrachte sie wie deine geliebten Söhne, und sie werden bis zum Tod an deiner Seite stehen.
Du Mu berichtet von dem berühmten General Wu Qi: Er trug die gleichen
Kleider und aß das gleiche Essen wie der gemeinste seiner Soldaten; er wollte
kein Pferd zum Reiten und keime Matte zum Schlafen haben, er trug seine
Vorräte selbst in einem Bündel auf dem Rücken und teilte jede Bedrängnis mit
seinen Männern. Einer seiner Soldaten litt an einem Abszeß, und Wu Qi selbst
saugte das Gift aus. Als die Mutter des Soldaten dies hörte, begann sie zu
klagen und zu lamentieren. Jemand fragte sie: »Warum weinst du? Dein Sohn
ist nur ein gemeiner Soldat, und doch hat der Oberbefehlshaber selbst ihm. das
Gift aus der Wunde gesaugt.«
Die Frau erwiderte: »Vor vielen Jahren tat. Herr Wu meinem Mann einen
ähnlichen Dienst, und mein Mann wollte ihn daraufhin nie wieder verlassen und
fand schließlich in den Händen des Feindes den Tod. Und nun hat er dasselbe
für meinen Sohn getan, und auch er wird, ich weiß nicht wo, im Kampf fallen.«
Wenn du aber nachgiebig bist, jedoch unfähig, deine Autorität durchzusetzen; freundlich im
Herzen, jedoch unfähig, deinen Befehlen Gehör zu verschaffen; und wenn du außerdem
unfähig bist, aufkommende Unruhe zu unterdrücken, dann werden deine Soldaten
verdorbenen Kindern ähneln. Sie sind nutzlos für jeden praktischen Zweck.
Du Mu schreibt: Im Jahre 219 n. Chr., als Lu Meng die Stadt Jiangling besetzte,
hatte er seiner Armee den strikten Befehl gegeben, weder die Einwohner zu
belästigen noch ihnen etwas mit Gewalt zu nehmen. Dennoch wagte ein
gewisser Offizier, der unter seinem Banner diente und zufällig aus Lu Mengs
Heimatstadt kam, sich einen Bambushut anzueignen, der einem Einwohner
gehörte, um ihn über dem vorgeschriebenen Helm als Schutz gegen den Regen
zu tragen. Lu Meng betrachtete die Tatsache, daß der Offizier ebenfalls aus
Runan stammte, keineswegs als Entschuldigung für diesen eindeutigen Verstoß
gegen die Disziplin, sondern befahl umgehend seine Exekution, wobei ihm
jedoch Tränen die Wangen herunterliefen. Dieses strenge Vorgehen flößte der
ganzen Armee eine gesunde Furcht ein, und von diesem Augenblick an wurden
nicht einmal mehr Dinge aufgelesen, die auf der Straße fortgeworfen worden
waren.
Wenn wir wissen, daß unsere Männer zum Kampf bereit sind, doch übersehen, daß der Feind
nicht angegriffen werden kann, dann haben wir nur den halben Weg zum Sieg zurückgelegt.
Wenn wir wissen, daß der Feind angegriffen werden kann, doch übersehen, daß unsere
Männer nicht kämpfen können, dann haben wir nur den halben Weg zum Sieg zurückgelegt.
Wenn wir wissen, daß der Feind angegriffen werden kann, und wenn wir ebenfalls wissen,
daß unsere Männer zum Kampf bereit sind, doch übersehen, daß die Natur des Terrains den
Kampf unmöglich macht, haben wir immer noch nur den halben Weg zum Sieg zurückgelegt.
Wenn der erfahrene Soldat einmal in Bewegung ist, läßt er sich nicht verblüffen; wenn er das
Lager abgebrochen hat, verläuft er sich nicht. Deshalb der Spruch: Wenn du den Feind und
dich selbst kennst, besteht kein Zweifel an deinem Sieg; wenn du Himmel und Erde kennst,
dann wird dein Sieg vollständig sein. XI. Die neun Situationen
Die Kunst des Krieges kennt neun Arten des Geländes: auseinandersprengendes Gelände;
leichtes Gelände; umstrittenes Gelände; offenes Gelände; Gelände mit kreuzenden Straßen;
gefährliches Gelände; schwieriges Gelände; eingeengtes Gelände; hoffnungsloses Gelände.
Wenn ein Befehlshaber auf seinem eigenen Gelände kämpft, dann ist es
auseinandersprengendes Gelände; es wird so genannt, weil die Soldaten, die ihren Heimen
nahe sind und ihre Frauen und Kinder sehen wollen, gern die Gelegenheit ergreifen, die eine
Schlacht bietet, um sich in alle Richtungen zu verstreuen.
Wenn er in feindliches Gebiet vorgedrungen ist, doch noch nicht sehr weit, dann ist es leichtes
Gelände.
Gelände, das für beide Seiten sehr vorteilhaft ist, wird umstrittenes Gelände genannt.
Als Lu Guang im Jahre 385 n. Chr. von der erfolgreichen Expedition nach
Turkestan mit Beute beladen zurückkehrte und bis nach Yihe gekommen war,
wollte Liang Xi, der Verwalter von Liangzhou, den Tod des Königs Fu Jian von
Qin zu seinem Vorteil nutzen und Lu Guang den Weg in die Provinz versperren.
Yang Han, der Gouverneur von Gaochang, gab Liang Xi folgenden Rat: »Lu
Guang kommt gerade siegreich aus dem Westen zurück, und seine Soldaten
sind entschlossen und kampfeswillig. Wenn wir uns ihm im Treibsand der
Wüste entgegenstellen, sind wir kein Gegner für ihn; deshalb müssen wir es mit
einem anderen Plan versuchen. Laß uns eilen und die enge Stelle am Ende des
Gaowu-Passes besetzen, um ihn von der Versorgung mit Wasser abzuschneiden.
Dort sind seine Truppen von Durst gequält, und wir können unsere
Bedingungen stellen, ohne anzugreifen. Oder wenn du meinst, daß der Paß, den
ich erwähnte, zu weit entfernt ist, dann können wir ihn am Yiwu-Paß stellen,
der näher ist. Selbst die Klugheit und Entschlossenheit Zifangs wäre nutzlos
angesichts der gewaltigen Stärke dieser beiden Positionen.«
Liang Xi weigerte sich, diesen Rat anzunehmen, wurde überwunden und vom
Eindringling vertrieben.
Gelände, auf dem beide Seiten sich frei bewegen können, heißt offenes Gelände.
Gelände, das den Schlüssel zu drei aneinandergrenzenden Staaten bildet, so daß der erste, der
es besetzt, den größten Teil des Königreichs in seiner Gewalt hat, heißt Gelände mit
Kreuzenden Straßen.
Wenn eine Armee ins Herz des feindlichen Landes vorgedrungen ist und eine Anzahl
befestigter Städte im Rücken hat, dann ist dies gefährliches Gelände.
Bergwälder, zerklüftete Steilhänge, Marsche und Moore -jedes Gelände, das schwer zu
durchqueren ist: Dies ist schwieriges Gelände.
Gelände, das durch enge Schluchten zu erreichen ist und aus dem wir uns nur auf mühseligen
Pfaden zurückziehen können, so daß eine kleine Anzahl von Feinden ausreicht, um eine große
Abteilung unserer Männer zu töten: Dies ist eingeengtes Gelände.
Gelände, auf dem wir dem Untergang nur entgehen, wenn wir ohne Zögern kämpfen: Dies ist
hoffnungsloses Gelände.
Auf auseinandersprengendem Gelände darfst du deshalb nicht kämpfen. Auf leichtem
Gelände nicht halten. Auf umstrittenem Gelände nicht angreifen.
Versuche auf offenem Gelände nicht, dem Feind den Weg zu versperren. Schließe dich im
Gelände mit kreuzenden Straßen mit deinen Verbündeten zusammen.
Bereichere dich in gefährlichem Gelände durch Plünderungen. Marschiere in schwierigem
Gelände stetig weiter.
Benutze in eingeengtem Gelände Kriegslisten.
Kämpfe in hoffnungslosem Gelände.
Jene, die früher kluge Führer genannt wurden, wußten, wie sie zwischen die Vorhut und die
Nachhut des Feindes einen Keil treiben konnten; wie sie die Zusammenarbeit zwischen seinen
großen und kleinen Abteilungen vereiteln konnten; wie sie die guten Truppen davon abhalten
konnten, die schlechten zu retten, die Offiziere, die Männer zusammenzurufen. Wenn die
Männer des Feindes verstreut waren, hinderten sie sie daran, sich zu konzentrieren; selbst
wenn die Kräfte des Feindes geeint waren, gelang es ihnen, sie nicht zur Ruhe kommen zu
lassen. Wenn es ihnen einen Vorteil erbrachte, stürmten sie vor; wenn nicht, hielten sie inne.
Wenn du gefragt wirst, wie du mit einem großen Verband des Feindes umgehen willst, der in
ordentlichen Reihen heranmarschiert und sich zum Kampf stellen will, dann antworte:
»Beginnt, indem ihr etwas nehmt, das eurem Gegner teuer ist. Dann wird er sich eurem
Willen unterwerfen.«
Schnelligkeit ist eine wichtige Eigenschaft im Krieg. Nutze sie zu deinem Vorteil, wenn der
Feind nicht bereit ist, gehe über unerwartete Straßen und greife unbewachte Orte an.
Im Jahre 227 n. Chr. dachte Meng Da, der Gouverneur von Xincheng, der unter
dem Wei-Kaiser Wendi diente, darüber nach, zum Haus von Shu überzulaufen,
und er hatte bereits einen Briefwechsel mit Zhuge Liang, dem Premierminister
jenes Staates, aufgenommen. Der Wei-General Sima Yi war zu jener Zeit der
Militärgouverneur von Wan; er bekam Wind von Meng Das geplantem Verrat
und schickte sofort eine Armee aus, um seiner Revolte zuvorzukommen,
nachdem er ihm mit einer scheinbar freundlichen Nachricht geschmeichelt
hatte. Simas Offiziere kamen zu ihm und sagten: »Wenn Meng Da sich mit Wu
und Shu verbündet hat, dann muß die Angelegenheit sorgfältig geprüft werden,
ehe wir etwas unternehmen.«
Sima Yi erwiderte: »Meng Da ist ein prinzipienloser Mann, und wir müssen
sofort losschlagen und ihn bestrafen, solange er noch schwankt und bevor er die
Maske abgestreift hat.«
Dann brachte er binnen acht Tagen seine Armee mit einer Reihe von
Gewaltmärschen bis vor die Mauern von Xincheng. Meng Da hatte zuvor in
einem Brief an Zhuge Liang geschrieben: »Wan ist 1200 li von hier entfernt.
Wenn die Nachricht von meiner Revolte Sima Yi erreicht, wird er sofort seinen
kaiserlichen Herrn unterrichten, doch es wird einen ganzen Monat dauern, ehe
etwas unternommen werden kann, und bis dahin wird meine Stadt gut befestigt
sein. Außerdem wird Sima Yi gewiß nicht selbst kommen, und die Generäle, die
er gegen uns schicken wird, sind es nicht wert, einen Gedanken an sie zu
verschwenden.«
Der nächste Brief jedoch verriet sein Entsetzen: »Obwohl erst acht Tage
vergangen sind, seit ich mich vom Bündnis lossagte, steht bereits eine Armee
vor den Stadttoren. Welch rätselhafte Geschwindigkeit ist dies!« Vierzehn Tage
später war Xincheng gefallen, und Meng Da hatte seinen Kopf verloren.
Im Jahre 621 n. Chr. wurde Li Jing von Kuizhou in Sichuan ausgeschickt, um
den siegreichen Rebellen Xiao Xian niederzuwerfen, der sich in Hubei in
Jingzhou-fu zum Kaiser erklärt hatte. Es war Herbst, und da der Yangtse
Hochwasser führte, glaubte Xiao Xian nicht im Traum daran, daß sein Gegner
es wagen würde, durch die Schluchten herunterzukommen, und bereitete sich
also auch nicht darauf vor. Doch Li Jing schiffte seine Armee ohne Zeitverlust
ein und wollte gerade ablegen, als die anderen Generäle ihn drängten, die
Abfahrt zu verschieben, bis der Fluß es wieder erlaubte, sicher auf ihm zu
fahren.
Li Jing erwiderte: »Für den Soldaten ist überwältigende Geschwindigkeit von
größter Bedeutung, und er darf nie eine Gelegenheit verstreichen lassen. Jetzt ist
der Augenblick zuzuschlagen, bevor Xiao Xian überhaupt weiß, daß wir eine
Armee ausgehoben haben. Wenn wir diese Gelegenheit ergreifen, solange der
Fluß noch Hochwasser führt, werden wir mit verblüffender Schnelligkeit vor
seiner Hauptstadt auftauchen - wie der Donner, der zu hören ist, bevor du Zeit
hast, dir die Ohren zuzuhalten. Dies ist das große Prinzip des Krieges. Selbst
wenn er von unserer Annäherung erfährt, muß er seine Soldaten so hastig
ausheben, daß sie nicht fähig sein werden, sich uns entgegenzustellen. So
werden alle Früchte des Sieges die unseren sein.«
Alles kam, wie er es vorausgesagt hatte, und Xiao Xian mußte aufgeben, wobei
er aber die edle Bedingung stellte, sein Volk zu verschonen und ihn allein mit
dem Tode zu bestrafen.
Nun folgen die Prinzipien, die von einer eindringenden Armee beachtet werden müssen. Je
weiter du in ein Land vorstößt, desto größer ist die Solidarität deiner Truppen, und deshalb
werden die Verteidiger dich nicht bezwingen können. Plündere fruchtbares Land, um deine
Armee mit Nahrung zu versorgen.
Achte sorgfältig auf das Wohlbefinden deiner Männer und überschätze sie nicht. Konzentriere
deine Energie und gehe sparsam mit deinen Kräften um. Halte deine Armee immer in
Bewegung und entwerfe undurchschaubare Pläne.
Chen erinnert an die Verhaltensweise des berühmten Generals Wang Jian im
Jahre 224 v. Chr. Das militärische Genie dieses Generals trug viel zum Erfolg
des ersten Chen-Kaisers bei. Er war in den Staat Chu eingedrungen, wo es eine
allgemeine Aushebung gab, um ihm Widerstand zu leisten. Doch da er über die
Stimmung seiner Truppen im ungewissen war, lehnte er alle Aufforderungen
zum Kampf ab und blieb rein defensiv. Der Chu-General versuchte vergeblich,
ihn zum Kampf zu zwingen; Tag um Tag hielt Wang Jian sich hinter seinen
Wällen und wollte nicht herauskommen. Er verwendete seine ganze Zeit und
Energie darauf, die Zuneigung und das Vertrauen seiner Männer zu gewinnen.
Er achtete darauf, daß sie gut genährt wurden, speiste mit ihnen, sorgte für
Möglichkeiten zum Baden und wendete mit kluger Umsicht jede nur denkbare
Methode an, um sie zu einer treuen, homogenen Einheit
zusammenzuschweißen.
Nachdem einige Zeit vergangen war, trug er gewissen Personen auf,
herauszufinden, wie sich die Männer amüsierten. Die Antwort war, daß sie mit
Zielschießen und Weitsprung gegeneinander kämpften. Als Wang Jian hörte,
daß sie mit diesen athletischen Übungen beschäftigt waren, wußte er, daß ihre
Geister die gewünschte Schärfe hatten und daß sie für den Kampf bereit waren.
Die Chu-Armee war, nachdem sie immer wieder ihre Herausforderung
vorgetragen hatte, inzwischen empört nach Osten abmarschiert. Wang Jian
brach sofort das Lager ab und verfolgte sie, und in der darauffolgenden Schlacht
wurde sie vernichtend geschlagen.
Kurz darauf hatte Wang Jian ganz Chu erobert.
Bringe deine Soldaten in Positionen, aus denen es keinen Fluchtweg gibt, und sie werden den
Tod der Flucht vorziehen. Wenn sie den Tod vor sich sehen, gibt es nichts, was sie nicht
erreichen können. Offiziere und Männer werden gleichermaßen ihre äußerste Kraft
aufwenden. Soldaten in verzweifelter Lage verlieren jedes Gefühl von Furcht. Wenn es
keinen Fluchtweg gibt, bleiben sie standhaft. Wenn sie im Herzen eines feindlichen Landes
sind, bilden sie eine unwiderstehliche Front. Wenn sie keine Hilfe erwarten, werden sie hart
kämpfen. So bleiben die Soldaten, ohne Befehle zu erwarten, ständig wachsam, und sie tun,
was du willst, ohne angeleitet zu werden; sie werden ohne Vorbehalte treu sein; du kannst
ihnen trauen, ohne Befehle geben zu müssen.
Verbiete die Befragung des Orakels und bekämpfe abergläubische Zweifel. Dann mußt du, bis
der Tod selbst kommt, keinerlei Unheil fürchten.
Wenn Soldaten nicht mit Geld überhäuft werden, dann liegt dies nicht daran, daß sie keinen
Geschmack an Reichtümern hätten; wenn ihr Leben nicht ungewöhnlich lang ist, dann liegt
dies nicht daran, daß sie nicht zur Langlebigkeit neigten.
Am Tag, an dem sie in die Schlacht geschickt werden, weinen deine Soldaten vielleicht;
einige sitzen aufrecht und benetzen ihre Kleider, einige liegen auf dem Boden und lassen
Tränen die Wangen herunterlaufen. Doch sie tun dies nicht, weil sie Angst haben, sondern
weil sie fest entschlossen sind, zu siegen oder zu sterben. Und wenn sie im Kampf stehen,
werden sie den Mut eines Zhuan Zhu oder eines Cao Gui zeigen.
Zhuan Zhu, der aus dem Staat Wu stammte und ein Zeitgenosse Sunzis war,
wurde von Kongzi Guang, eher bekannt als Helu-Wang, gedungen, um den
Herrscher Wang Liao mit einem Dolch, den er im Bauch eines bei einem
Festmahl servierten Fisches versteckte, zu ermorden. Der Mordversuch gelang,
doch Zhuan Zhu wurde sofort von der Leibwache des Königs in Stücke gehackt.
Dies geschah im Jahre 515 v. Chr.
Der zweite erwähnte Held, Cao Gui, kam im Jahre 681 v. Chr. zu Berühmtheit.
Lu war dreimal von Qi besiegt worden und war bereit, einen Vertrag zu
unterzeichnen, mit dem ein großes Gebiet abgetreten werden sollte, als Cao Gui
plötzlich Huan-gong, den Herzog von Qi, der auf den Altarstufen stand, packte
und ihm einen Dolch an die Brust hielt. Keiner der Wächter des Herzogs wagte,
einen Finger zu rühren, als Cao Gui die Rückgabe des Landes verlangte und
erklärte, daß Lu ungerecht behandelt worden sei, weil es das kleinere und
schwächere Land sei. Huan-gong, der um sein Leben fürchtete, mußte
zustimmen, worauf Cao Gui seinen Dolch fortschleuderte und still und
ungerührt seinen Platz in der erschreckten Versammlung wieder einnahm. Wie
nicht anders zu erwarten, wollte der Herzog danach den Handel verwerfen, doch
sein weiser alter Berater Guan Zhong erklärte ihm, wie gefährlich es sei, sein
Wort zu brechen, und das Ergebnis war, daß Lu durch diesen kühnen Streich
alles zurückbekam, was er in drei Schlachten verloren hatte.
Der geschickte Taktiker kann mit der shuairan verglichen werden. Die shuairan ist eine
Schlange, die in den ChangBergen gefunden wird. Schlage ihr auf den Kopf, und der
Schwanz wird dich angreifen; schlage ihr auf den Schwanz, und der Kopf wird dich
angreifen; schlage sie in der Mitte, und Kopf und Schwanz werden dich angreifen.
Wenn du gefragt wirst, ob eine Armee die shuairan imitieren kann, dann antworte mit Ja.
Denn die Männer von Wu und die Männer von Yue sind Feinde; doch wenn sie im gleichen
Boot einen Fluß überqueren und von einem Sturm überrascht werden, helfen sie einander, wie
die linke Hand der rechten hilft.
Es reicht nicht, Pferde anzubinden und Wagenräder im Boden einzugraben. Es reicht nicht,
die Flucht durch solche mechanischen Mittel unmöglich zu machen. Du hast keinen Erfolg,
wenn deine Männer nicht standhaft und im Willen geeint sind; vor allem müssen sie von
einem Gemeinschaftsgefühl beseelt sein. Dies ist die Lektion, die von der shuairan gelernt
werden kann.
Das Prinzip, nach dem eine Armee geführt werden muß, besteht darin, ein Mindestmaß an
Mut festzusetzen, das alle beweisen müssen.
Das Beste aus starken und schwachen Punkten zu machen ist eine Sache, die mit der richtigen
Nutzung des Geländes zu tun hat.
Der kluge General führt seine Armee genauso, als führte er einen einzelnen Mann an der
Hand.
Es ist die Aufgabe des Generals, zu schweigen und damit für Geheimhaltung zu sorgen;
standhaft und gerecht, um damit die Ordnung aufrechtzuerhalten. Er muß fähig sein, seine
Offiziere und Männer mit falschen Berichten und Täuschungen zu verwirren, um sie völlig
unwissend zu halten.
Im Jahre 88 n. Chr. zog Bau Chao mit fünfundzwanzigtausend Männern aus
Khotan und anderen zentralasiatischen Staaten ins Feld, mit dem Ziel, Yarkand
niederzuwerfen. Der König von Kutscha reagierte, indem er seinen
Oberbefehlshaber aussandte, der mit einer fünfzigtausend Mann starken Armee
aus den Königreichen Wensu, Gumo und Weitou der Stadt zu Hilfe kommen
sollte.
Ban Chao rief seine Offiziere und den König von Khotan zu einem Kriegsrat
zusammen und sagte: »Der Feind ist jetzt in der Überzahl, und wir können nicht
offen gegen ihn ziehen. Deshalb ist es der beste Plan, wenn wir uns teilen und
verstreuen, jeder in eine andere Richtung. Der König von Khotan wird nach
Osten davonmarschieren, und ich will nach Westen zurückkehren. Laßt uns
warten, bis die Abendtrommel schlägt und dann beginnen.« Ban Chao gab
darauf heimlich die Kriegsgefangenen frei, und so wurde der König von
Kutscha über seine Pläne informiert. Höchst erfreut über die Neuigkeit machte
er sich an der Spitze von zehntausend Berittenen auf, um Ban Chao den
Rückzug in den Westen abzuschneiden, während der König von Wensu mit
neuntausend Berittenen nach Osten zog, um den König von Khotan aufzuhalten.
Als Ban Chao wußte, daß die beiden Anführer fort waren, rief er seine
Divisionen zusammen, übernahm den Oberbefehl und warf seine Armee im
Morgengrauen gegen das Heer von Yarkand, das gelagert hatte. Die entsetzten
Barbaren flohen verwirrt und wurden von Ban Chao verfolgt. Mehr als
fünftausend Köpfe wurden als Trophäen zurückgebracht, und dazu ungeheure
Beute in Form von Pferden und Vieh und allen denkbaren Wertgegenständen.
Darauf kapitulierte Yarkand, und Kutscha und die anderen Königreiche zogen
ihre Streitkräfte zurück. Von dieser Zeit an waren die Länder im Westen von
Ban Chaos Ansehen tief beeindruckt.
Indem er seine Vorkehrungen ändert und seine Pläne anpaßt, hält der kluge General den Feind
unwissend. Indem er sein Lager verlegt und Umwege nimmt, verhindert er, daß der Feind
seine Absicht erkennt. Im kritischen Augenblick handelt der Anführer einer Armee wie ein
Mann, der hochgestiegen ist und dann die Leiter unter sich wegstößt. Er führt seine Männer
tief ins Feindesland, bevor er seine Absicht zeigt. Er verbrennt seine Boote und zerbricht sein
Kochgeschirr; wie ein Schäfer, der seine Schafherde treibt, treibt er seine Männer hierhin und
dahin, und niemand weiß, wohin es geht.
Sein Heer zu versammeln und es in Gefahr zu bringen - dies kann man die Angelegenheit des
Generals nennen.
Die verschiedenen Maßnahmen, die den neun Geländearten entsprechen; die Anwendung
aggressiver oder defensiver Taktiken; und die grundlegenden Gesetze der menschlichen
Natur: Dies sind die Dinge, die gewissenhaft studiert werden müssen.
Beim Eindringen in Feindesland ist das allgemeine Prinzip, daß tiefes Eindringen
Zusammenhalt erzeugt; nur ein kurzes Stück einzudringen bringt Auflösung. Wenn du dein
Heimatland verläßt und deine Armee durchs Nachbargebiet führst, befindest du dich auf
kritischem Gelände. Wenn es Verbindungswege in alle vier Richtungen gibt, bist du in einem
Gelände mit kreuzenden Straßen. Wenn du tief in ein Land eindringst, ist es gefährliches
Gelände. Wenn du nur ein kurzes Stück eindringst, ist es leichtes Gelände. Wenn du die
Befestigungen des Feindes im Rücken hast und schmale Pässe vor dir, ist es eingeengtes
Gelände. Wenn es keinen Fluchtweg mehr gibt, ist es hoffnungsloses Gelände.
Inspiriere deine Männer in auseinandersprengendem Gelände mit dem Gedanken der Einheit.
In leichtem Gelände achte darauf, daß alle Teile der Armee untereinander in Verbindung
stehen. Ziehe in umstrittenem Gelände deine Nachhut nahe heran. Achte in offenem Gelände
wachsam auf deine Verteidigung, denn du mußt mit einem Überraschungsangriff rechnen. In
Gelände mit kreuzenden Straßen versichere dich der Treue deiner Verbündeten.
In gefährlichem Gelände sorge dafür, daß der Strom des Nachschubs nicht abreißt. Bewege
dich in schwierigem Gelände ständig weiter.
Blockiere in eingeengtem Gelände jede Rückzugsmöglichkeit, um den Anschein zu erwecken,
daß du deine Position verteidigen willst, während es deine wirkliche Absicht ist, plötzlich
durch die feindlichen Reihen zu brechen.
Im Jahre 532 n. Chr. wurde Gao Huan, der später als Kaiser Shenwu bekannt
wurde, von einer großen Armee unter der Führung von Erzhu Zhao und anderen
umzingelt. Seine eigene Streitmacht war vergleichsweise klein, sie bestand nur
aus zweitausend Berittenen und weniger als dreißigtausend Infanteristen. Die
Belagerungsreihen waren nicht sehr eng gezogen, an gewissen Punkten waren
Lücken offen geblieben. Doch statt die Flucht zu versuchen, eilte Gao Huan
sich, alle verbleibenden Fluchtwege selbst zu verschließen, indem er eine
Anzahl zusammengebundener Ochsen und Esel hineintrieb. Sobald seine
Offiziere und Männer sahen, daß ihnen nichts übrig blieb, als zu siegen oder zu
sterben, wurden sie von höchster Erregung erfaßt und griffen mit so
verzweifelter Wildheit an, daß die gegnerischen Reihen unter ihrem Ansturm
brachen und sich auflösten.
In hoffnungslosem Gelände erkläre deinen Soldaten, daß sie keine Aussicht haben, ihr Leben
zu retten. Die einzige Chance zu leben liegt darin, die Hoffnung auf das Leben aufzugeben.
Denn es ist die Art des Soldaten, störrisch Widerstand zu leisten, wenn er umzingelt wird, hart
zu kämpfen, wenn er sich nicht zu helfen weiß, und prompt zu gehorchen, wenn er in Gefahr
geraten ist.
Im Jahre 73 n. Chr., als Ban Chao in Shanshan eintraf, empfing Guang, der
König des Landes, ihn zunächst mit großer Höflichkeit und Achtung. Doch kurz
darauf machte sein Verhalten eine plötzliche Veränderung durch, und er wurde
abweisend und unhöflich.
Ban Chao sprach in seinen Gemächern mit seinen Offizieren darüber: »Habt ihr
nicht bemerkt«, sagte er, »daß Guangs höfliche Absichten im Schwinden sind?
Dies muß bedeuten, daß von den nördlichen Barbaren Gesandte gekommen
sind, und daß er deshalb unentschlossen ist und nicht weiß, auf welche Seite er
sich stellen soll. Dies ist gewiß der Grund. Wir wissen, daß der wirklich weise
Mann Dinge wahrnehmen kann, bevor sie geschehen; wieviel deutlicher dann
jene, die bereits geschehen sind!« Darauf rief er einen der Eingeborenen, die in
seinen Diensten standen, zu sich und stellte ihm eine Falle, indem er sagte: »Wo
sind die Gesandten von den Xiongnu, die vor einigen Tagen eingetroffen sind?«
Der Mann war so zwischen Überraschung und Furcht zerrissen, daß er sogleich
die ganze Wahrheit berichtete. Ban Chao setzte seinen Informanten hinter
Schloß und Riegel und berief eine allgemeine Versammlung seiner Offiziere,
sechsunddreißig an der Zahl, ein, und begann mit ihnen zu trinken. Als ihnen
der Wein ein wenig zu Kopfe gestiegen war, versuchte er, ihren Kampfesmut
noch weiter zu heben, indem er sich mit diesen Worten an sie wandte: »Meine
Herren, hier sind wir im Herzen eines entlegenen Gebietes und brennen darauf,
durch einen großen Feldzug Reichtümer und Ehre zu erwerben. Nun kam aber
erst vor wenigen Tagen ein Botschafter von den Xiongnu in dieses Königreich,
und das Ergebnis ist, daß die respektvolle Höflichkeit, die unser königlicher
Gastgeber uns zunächst entgegenbrachte, verschwunden ist. Sollte ihn dieser
Gesandte bewegen können, uns zu ergreifen und den Xiongnu zu übergeben, so
werden unsere Knochen den Wölfen der Wüste als Nahrung dienen. Was sollen
wir tun?«
Wie aus einem Munde erwiderten die Offiziere: »Da wir nun in der Gefahr
sind, unser Leben zu verlieren, werden wir unserem Kommandanten durch
Leben und Tod folgen.«
Wir können mit benachbarten Fürsten kein Bündnis eingehen, wenn wir nicht ihre Absichten
kennen. Wir sind nicht fähig, eine Armee auf den Marsch zu führen, solange wir nicht mit der
Gestalt des Landes vertraut sind - mit seinen Bergen und Wäldern, seinen Senken und
Steilklippen, seinen Marschen und Sümpfen. Wir sind unfähig, natürliche Vorteile für uns zu
nutzen, solange wir keine eingeborenen Führer einsetzen.
Für einen kriegerischen Fürsten geziemt es sich nicht, eins der folgenden vier oder fünf
Prinzipien zu mißachten.
Wenn ein kriegerischer Fürst einen mächtigen Staat angreift, dann zeigt sich seine Erfahrung
darin, daß er die Konzentration der feindlichen Streitkräfte verhindert. Er versetzt seine
Gegner in Angst und Schrecken, und ihre Verbündeten werden daran gehindert, sich mit
ihnen zusammenzuschließen. Wenn du einen mächtigen Staat angreifst, wirst du an Kräften
überlegen sein, wenn du seine Streitkräfte aufteilen kannst; wenn du an Kräften überlegen
bist, wirst du den Feind in Angst versetzen; wenn du den Feind in Angst versetzt, werden die
Nachbarstaaten dich fürchten; wenn die Nachbarstaaten dich fürchten, werden die
Verbündeten des Feindes gehindert, sich mit ihm zusammenzuschließen.
Also versucht der weise Anführer nicht, sich mit allem und jedem zu verbünden, und er
fordert nicht offen die Macht anderer Staaten heraus. Er führt seine eigenen geheimen Pläne
aus und achtet darauf, daß seine Gegner ihn fürchten. So ist er fähig, die feindlichen Städte
einzunehmen und die feindlichen Königreiche zu unterwerfen.
Verteile Belohnungen, ohne Regeln zu befolgen, gebe Befehle, ohne vorherige Planungen zu
berücksichtigen, und du wirst fähig sein, eine ganze Armee zu handhaben, als hättest du es
nur mit einem einzigen Mann zu tun. Um Verrat zu verhindern, solltest du deine Pläne nicht
vorher ausbreiten. In deinen Regeln und Plänen sollte es keine Starrheit geben.
Konfrontiere deine Soldaten mit der Tat selbst, laß sie nie von deinem Vorhaben erfahren.
Wenn die Aussichten gut sind, führe es ihnen vor Augen, doch sage ihnen nichts, wenn
Unheil droht. Schicke deine Armee in tödliche Gefahr, und sie wird überleben; schicke sie in
eine verzweifelte Situation, und sie wird sie überwinden.
Im Jahre 204 v. Chr. wurde Han Xin gegen die Armee von Zhao ausgesandt und
blieb etwa fünfzehn Kilometer vor der Mündung des Jinxing-Passes stehen, wo
der Feind seine ganzen Truppen aufgeboten hatte. Dort sandte er zu Mitternacht
eine Abteilung von zweitausend leichten Kavalleristen aus; jeder Mann war mit
einer roten Flagge ausgerüstet. Sie hatten Befehl, durch schmale Schluchten
vorzudringen und den Feind genau zu beobachten.
»Wenn die Männer von Zhao mich in wilder Flucht sehen«, sagte Han Xin,
»dann werden sie ihre Befestigungen verlassen und mich verfolgen. Dies ist für
euch das Zeichen vorzustürmen, die Standarten von Zhao herunterzureißen und
die roten Banner von Han an ihrer Stelle aufzuziehen.« Dann wandte er sich an
seine anderen Offiziere und bemerkte: »Unser Gegner hält eine starke Position,
und er wird wahrscheinlich nicht herauskommen und uns angreifen, solange er
nicht die Standarte und die Trommeln des Oberbefehlshabers sieht und hört,
denn dann fürchtet er, daß ich kehrtmache und durch die Berge entkomme.«
Mit diesen Worten schickte er zuerst eine Division, die aus zehntausend
Männern bestand, aus und befahl ihnen, mit dem Rücken zum Fluß Di eine
Schlachtreihe aufzubauen.
Als sie dieses Manöver sahen, brachen alle Männer von Zhao in lautes
Gelächter aus. Es war helles Tageslicht, und Han Xin marschierte mit
schlagenden Trommeln und der Flagge des Oberbefehlshabers aus dem Paß
heraus und wurde sofort vom Feind angegriffen.
Es folgte eine große Schlacht, die eine Weile andauerte, bis Han Xin und sein
Gefährte Zhang Ni schließlich Trommeln und Banner auf dem Feld
zurückließen und zur Division am Flußufer flohen, wo eine andere wilde
Schlacht tobte. Der Feind stürmte heraus, um sie zu verfolgen und Trophäen zu
gewinnen, und entzog so seinen Befestigungen die Männer. Doch den beiden
Generälen gelang es, sich der anderen Armee anzuschließen, die mit äußerster
Verzweiflung kämpfte.
Nun war der Augenblick für die zweitausend Berittenen gekommen, ihre Rolle
zu spielen. Als sie sahen, daß die Männer von Zhao die Flüchtigen verfolgten,
galoppierten sie hinter die verlassenen Mauern, rissen die Flaggen des Feindes
herunter und ersetzten sie durch die von Han.
Als die Armee von Zhao von der Verfolgung zurückkehrte, erschreckte sie der
Anblick dieser roten Flaggen bis ins Mark. Überzeugt, daß die Han
eingedrungen waren und ihren König überwunden hatten, brach unter ihnen
wildes Chaos aus, und jeder Versuch ihrer Anführer, die Panik zu verhindern,
war vergeblich.
Dann fiel die HanArmee von beiden Seiten über sie her und vollendete das
Gemetzel, wobei eine große Zahl Männer getötet und der Rest gefangengesetzt
wurde, unter ihnen König Ya selbst.
Nach der Schlacht kamen einige von Han Xins Offizieren zu ihm und sagten:
»In der Kunst des Krieges lernen wir, daß wir rechts hinter uns einen Hügel oder
eine Anhöhe haben sollen, und links vor uns einen Fluß oder eine Marsch. Du
dagegen befahlst uns, unsere Truppen mit dem Fluß im Rücken aufzustellen.
Wie ist es dir unter diesen Umständen gelungen, den Sieg zu erringen?« Der
General erwiderte: »Ich fürchte, ihr Herren habt die Kunst des Krieges nicht mit
der gebotenen Aufmerksamkeit studiert. Steht dort nicht geschrieben: Schicke
deine Armee in tödliche Gefahr und sie wird überleben; schicke sie in eine
verzweifelte Situation und sie wird sie überwinden? Wäre ich wie üblich
vorgegangen, so wäre ich nie fähig gewesen, meine Feinde herauszulokken.
Wenn ich meine Truppen nicht in eine Position gebracht hätte, in der die
Männer um ihr Leben kämpfen mußten, sondern wenn jeder nach Gutdünken
gekämpft hätte, dann hätte es eine allgemeine Meuterei gegeben, und es wäre
unmöglich gewesen, mit den Männern etwas anzufangen.«
Die Offiziere erkannten die Kraft seiner Argumente und sagten: »Zu dieser
hohen Taktik wären wir nicht fähig gewesen.«
Denn genau in dem Augenblick, da eine Streitmacht dem Untergang geweiht ist, ist sie fähig,
mit einem Schlage den Sieg zu erringen.
Wir können in der Kriegführung erfolgreich sein, wenn wir uns vorsichtig an die Absichten
des Feindes anpassen. Wenn der Feind die Neigung zeigt vorzustürmen, dann verlocke ihn
dazu, es zu tun; wenn er sich hastig zurückziehen will, dann zögere absichtlich, damit er sein
Vorhaben ausführen kann.
Indem wir uns beständig an der Flanke des Feindes halten, sollte es uns auf lange Sicht
möglich sein, den Oberbefehlshaber zu töten - eine wichtige Tat im Krieg.
Am Tage, an dem du das Kommando übernimmst, mußt du die Grenzpässe blockieren, die
offiziellen Grenzwachen zerstören und die Durchreise aller Gesandten in das Feindesland
oder aus ihm heraus unterbinden.
Sei in der Ratskammer unerbittlich, damit du die Situation beherrschen kannst.
Wenn der Feind eine Tür offen läßt, mußt du hineinstürmen.
Komme deinem Gegner zuvor, indem du ergreifst, was ihm teuer ist, und versuche, den
Zeitpunkt seiner Ankunft auf dem Gelände genau abzuschätzen.
Benutze den Weg, den die Regel bestimmt, und mache dich mit dem Feind vertraut, bis du
eine entscheidende Schlacht schlagen kannst.
Dann zeige zuerst die Schüchternheit eines Mädchens, bis dein Feind den ersten Zug macht;
danach entwickle die Geschwindigkeit eines rennenden Hasen, und für den Feind wird es zu
spät sein, sich dir zu widersetzen. XII. Angriff durch Feuer
Es gibt fünf Möglichkeiten, mit Feuer anzugreifen. Die erste besteht darin, die Soldaten in
ihrem Lager zu verbrennen; die zweite, Vorräte zu verbrennen; die dritte ist es, Gepäckzüge
zu verbrennen; die vierte, Arsenale und Magazine zu verbrennen; die fünfte, Feuer zwischen
die Reihen des Feindes zu schleudern.
Als Bau Chao noch in Shanshan war, fest entschlossen, die große Gefahr zu
beseitigen, die durch die Ankunft des Gesandten der nördlichen Barbaren,
Xiongnu, entstanden war, wandte er sich mit diesen Worten an seine Offiziere:
»Wer nicht wagt, der nicht gewinnt! Wenn ihr euch nicht ins Lager des Tigers
begebt, könnt ihr auch nicht die Jungen des Tigers fangen. Der einzige Weg, der
uns jetzt noch offensteht, ist, die Barbaren im Schutze der Nacht anzugreifen,
wenn sie nicht fähig sind zu erkennen, wie viele wir sind. Wir werden aus ihrer
Panik Nutzen ziehen und sie völlig auslöschen; dies wird den Mut des Königs
abkühlen und uns Ruhm einbringen; ganz abgesehen davon, daß es unserer
Mission den Erfolg sichern wird.«
Die Offiziere wollten ihm gerne folgen, doch sie wiesen darauf hin, daß es nötig
sei, die Angelegenheit zuvor mit dem Ersten Minister zu besprechen. Ban Chao
erwiderte leidenschaftlich: »Heute wird über unser Schicksal entschieden! Der
Erste Minister ist nur ein langweiliger Zivilist, der gewiß Angst bekommen
wird, wenn er von unserem Vorhaben hört, und alles wird ans Licht kommen.
Ein Tod ohne Ruhm ist kein würdevolles Ende für einen tapferen Krieger!«
Und so drang er, als die Nacht kam, mit seiner kleinen Schar rasch ins Lager der
Barbaren vor. Zu jener Zeit blies ein starker Sturm. Ban Chao befahl zehn
Männern seiner Gruppe, Trommeln zu nehmen und sich hinter den Baracken
des Feindes zu verstecken; sobald sie die Flammen aufschießen sahen, sollten
sie zu trommeln beginnen und mit aller Kraft schreien. Der Rest seiner Männer,
bewaffnet mit Bögen und Armbrüsten, bezog im Hinterhalt am Tor des Lagers
Stellung. Dann setzte er das Lager auf der Windseite in Brand, worauf sich vor
und hinter dem Feind ein ohrenbetäubender Lärm von Trommeln und Schreien
erhob; die Feinde stürmten Hals über Kopf in schrecklicher Unordnung heraus.
Ban Chao erschlug drei von ihnen mit eigener Hand, während seine Gefährten
dem Gesandten und dreißig aus seinem Gefolge die Köpfe abschlugen. Die
übrigen, insgesamt mehr als hundert Männer, wurden Opfer der Flammen.
Am nächsten Tag kehrte Ban Chao zurück und informierte Guo Xun, den Ersten
Minister, über das, was er getan hatte. Der Minister erschrak sehr und
erbleichte. Doch Bau Chao, der seine Gedanken ahnte, sagte mit erhobener
Hand: »Obwohl Ihr in der letzten Nacht nicht mit uns kamt, Herr, denke ich
nicht daran, den Ruhm für unseren Erfolg allein für mich zu beanspruchen.«
Dies befriedigte Guo Xun; und Ban Chao, der nach Guang, dem König von
Shanshan, geschickt hatte, zeigte dem Herrscher den Kopf des
Barbarengesandten. Das ganze Königreich zitterte vor Furcht, doch Ban Chao
eilte sich, die Furcht durch eine öffentliche Proklamation zu lindern. Dann nahm
er den Sohn des Königs als Geisel und kehrte zurück, um seinem eigenen König
zu berichten.
Um mit Feuer anzugreifen, müssen wir entsprechend ausgerüstet sein; das Material zum
Entzünden eines Feuers sollte immer bereitgehalten werden.
Es gibt eine Jahreszeit, die geeignet ist für Angriffe mit Feuer, und bestimmte Tage, um einen
Brand anzufachen. Die geeignete Jahreszeit ist die, wenn das Wetter sehr trocken ist. Die
bestimmten Tage sind jene, wenn der Mond in den Zeichen des Siebes, der Mauer, des
Flügels oder der Sprosse steht, denn diese vier sind Tage des aufkommenden Windes.
Wenn du mit Feuer angreifst, mußt du auf fünf mögliche Entwicklungen vorbereitet sein.
Wenn im Lager des Feindes ein Feuer ausbricht, mußt du sofort mit einem Angriff von außen
reagieren. Wenn ein Feuer ausbricht, doch die Soldaten des Feindes ruhig bleiben, dann laß
dir Zeit und greife nicht an. Wenn die Gewalt der Flammen ihren Höhepunkt erreicht hat,
dann greife sofort an, wenn es möglich ist; wenn nicht, bleibe, wo du bist. Wenn es möglich
ist, von außen mit Feuer anzugreifen, dann warte nicht, bis es drinnen ausbricht, sondern
greife in einem günstigen Augenblick an.
Wenn du ein Feuer entzündest, dann halte dich windwärts. Greife nicht gegen den Wind an.
Wenn der Wind aus Osten kommt, dann lege im Osten des Feindes Feuer und folge mit
deinem Angriff von dieser Seite. Wenn du das Feuer auf der Ostseite legst und vom Westen
angreifst, wirst du auf die gleiche Weise leiden wie dein Feind.
Ein Wind, der sich tagsüber erhebt, ist stetig, doch eine nächtliche Brise schläft bald wieder
ein.
In jeder Armee müssen die fünf Entwicklungen, die mit Feuer zu tun haben, bekannt sein; die
Bewegungen der Sterne müssen berechnet werden, und du mußt auf die geeigneten Tage
achten.
Wer beim Angriff Feuer zu Hilfe nimmt, zeigt Intelligenz. Wer beim Angriff Wasser zu Hilfe
nimmt, gewinnt zusätzlich Kraft. Mit Hilfe von Wasser kann ein Feind aufgehalten werden,
doch du kannst ihm nicht seinen ganzen Besitz rauben.
Unglücklich ist das Schicksal jener, die versuchen, ihre Schlachten zu gewinnen und ihre
Angriffe erfolgreich zu führen, ohne daß sie den Wagemut fördern, denn das Ergebnis ist
Zeitverschwendung und allgemeiner Stillstand. Der erleuchtete Herrscher arbeitet seine Pläne
lange vorher aus; der gute General nutzt seine Kräfte. Er herrscht über die Soldaten durch
seine Autorität, schweißt sie zusammen durch Treu und Glauben und macht sie sich durch
Belohnungen zu Diensten. Wenn der Glaube nachläßt, wird es zur Zerrüttung kommen, wenn
die Belohnungen ausbleiben, wird man die Befehle nicht beachten.
Bewege dich nicht, wenn du keinen Vorteil siehst; setze deine Truppen nicht ein, wenn es
nichts zu gewinnen gibt; kämpfe nicht, wenn die Lage nicht kritisch ist. Kein Herrscher sollte
Truppen ins Feld schicken, nur um einer Laune nachzugeben; kein General sollte aus
Verärgerung eine Schlacht beginnen. Zorn mag sich mit der Zeit in Freude verwandeln; auf
Verärgerung mag Zufriedenheit folgen. Doch ein Königreich, das einmal zerstört wurde, kann
nie wieder errichtet werden; und auch die Toten können nicht ins Leben zurückgeholt werden.
So ist der erleuchtete Herrscher umsichtig, und der gute General voller Vorsicht. Dies ist der
Weg, ein Land in Frieden und eine Armee intakt zu halten. XIII. Der Einsatz von Spionen
Ein Heer von hundertlausend Männern auszuheben und mit ihnen über weite Entfernungen zu
marschieren bedeutet große Verluste an Menschen und eine Belastung der Staatsschätze. Die
täglichen Ausgaben werden bis zu hunderttausend Unzen Silber betragen. Zu Hause und in
der Ferne wird es Unruhe geben, und Männer werden erschöpft auf den Straßen
zusammenbrechen. Mindestens siebenhunderttausend Familien werden bei ihrer Arbeit
behindert.
Feindliche Armeen können sich jahrelang gegenüberstehen und um den Sieg ringen, der an
einem einzigen Tag erkämpft wird. Da dies so ist, ist es der Gipfel der Unmenschlichkeit,
über die Verfassung des Feindes im unklaren zu bleiben, nur weil man die Ausgabe von
hundert Unzen Silber für Belohnungen und Sold scheut. Wer so handelt, kann Männer nicht
führen, kann seinem Herrscher keine wertvolle Hilfe sein, kann den Sieg nicht erringen. Was
den weisen Herrscher und den guten General befähigt zuzuschlagen und zu siegen und Dinge
zu erreichen, die außerhalb der Fähigkeiten gewöhnlicher Männer liegen, ist Vorherwissen.
Doch dieses Vorherwissen kann nicht Geistern entlockt werden; es kann nicht aus der
Erfahrung und auch durch keine Schlußfolgerung gewonnen werden.
Das Wissen um die Pläne des Feindes kannst du nur von anderen Männern erhalten. Die
Kenntnis der Geisterwelt wird durch das Orakel erlangt; Informationen in
Naturwissenschaften können durch Erfahrungswerte gewonnen werden; die Gesetze des
Universums können durch mathematische Schlüsse bewiesen werden. Doch die Pläne des
Feindes sind durch Spione und nur durch sie zu ermitteln.
Deshalb der Einsatz von Spionen, von denen es fünf Klassen gibt: eingeborene Spione; innere
Spione; übergelaufene Spione; todgeweihte Spione; überlebende Spione.
Wenn alle diese fünf Arten im Einsatz sind, kann keiner das geheime Netz entdecken. Dies
nennt man »göttliche Handhabung der Fäden«. Es ist die wertvollste Fähigkeit des
Herrschers.
Eingeborene Spione zu haben bedeutet, sich der Dienste der Einwohner eines Gebietes zu
versichern. Im Land des Feindes mußt du Leute durch freundliche Behandlung für dich
gewinnen und als Spione benutzen.
Innere Spione zu haben bedeutet, die Beamten des Feindes zu benutzen. Wertvolle Männer,
die degradiert wurden; Kriminelle, die eine Bestrafung hinter sich haben; auch
Lieblingskonkubinen, die gierig auf Gold sind; Männer, die verbittert sind, weil sie in
untergeordneten Positionen sind oder bei der Verteilung von Posten übergangen wurden;
andere, die wollen, daß ihre Seite geschlagen wird, damit sie eine Chance haben, ihre
Fähigkeiten und Talente zu zeigen; Fähnlein im Winde, die in beiden Türen einen Fuß haben
wollen. Beamte dieser Art sollten heimlich aufgesucht und mit reichen Geschenken auf die
eigene Seite gebracht werden. Auf diese Weise wirst du fähig sein, die Verfassung des
feindlichen Landes zu erkennen und die Pläne zu erfahren, die gegen dich geschmiedet
werden; und außerdem kannst du die Harmonie stören und einen Keil zwischen den Herrscher
und seine Minister treiben. Doch es ist äußerste Vorsicht geboten, wenn man sich mit inneren
Spionen einläßt.
Luo Shang, der Gouverneur von Yizhou, schickte seinen General Wei Bo aus,
um den Rebellen Li Xiong von Shu in seiner Festung in Pi zu bekämpfen.
Nachdem jede Seite eine Anzahl von Siegen und Niederlagen erlebt hatte,
bediente sich der Rebellenführer Li Xiong der Dienste eines gewissen Bodai,
eines Eingeborenen von Sudu. Er begann, indem er ihn auspeitschen ließ, bis
das Blut kam, und dann schickte er ihn aus zu seinem Feind Luo Shang, den er
irreführen sollte, indem er ihm die Zusammenarbeit mit Menschen aus der Stadt
anbot. Der Spion sollte ein Feuersignal geben, wenn der richtige Augenblick für
einen Großangriff gekommen war. Luo Shang, der den Versprechungen dieses
inneren Spions glaubte, ließ seine besten Truppen aufmarschieren, setzte
General Wei und andere an ihre Spitze und gab den Befehl, auf Bodais
Aufforderung hin sofort anzugreifen. Inzwischen hatte Li Xiong einen
Hinterhalt vorbereitet, und Bodai, der lange Enterleitern gegen die Stadtmauern
gestellt hatte, entzündete das Signalfeuer. Weis Männer, die nicht wußten, daß
sie hintergangen wurden, stürmten los, als das Signal kam, und begannen so
schnell wie möglich die Leitern hinaufzuklettern, während andere an Seilen, die
von oben herabgesenkt wurden, hinaufgezogen wurden. Mehr als hundert
Soldaten drangen auf diese Weise in die Stadt ein, und alle wurden unverzüglich
enthauptet. Der Rebellenführer Li Xiong griff dann mit allen seinen Kräften
sowohl von innen als auch von außerhalb der Stadt an und vernichtete den Feind
völlig.
Übergelaufene Spione zu haben bedeutet, die Spione des Feindes zu fassen und sie für eigene
Zwecke einzusetzen: Mit großen Bestechungsgeldern und großzügigen Versprechungen
müssen sie aus dem Dienst des Feindes gelöst und veranlaßt werden, falsche Informationen
zurückzubringen und gleichzeitig gegen ihre Landsleute zu spionieren.
Todgeweihte Spione zu haben bedeutet, gewisse Dinge öffentlich zum Zwecke der Täuschung
zu tun und zuzulassen, daß unsere eigenen Spione von ihnen erfahren und sie, da sie
hintergangen wurden, dem Feind berichten. Diese Dinge sind auf die Täuschung unserer
eigenen Spione ausgerichtet und sollen sie glauben machen, daß sie unabsichtlich bloßgestellt
wurden. Wenn diese Spione dann hinter den Linien des Feindes gefangen werden, geben sie
einen völlig falschen Bericht ab, und der Feind wird sich entsprechend verhalten, nur um
festzustellen, daß wir etwas völlig anderes tun. Daraufhin wird man die Spione zum Tode
verurteilen.
Überlebende Spione sind schließlich jene, die Informationen aus dem Lager des Feindes
zurückbringen. Dies ist die übliche Klasse von Spionen, die in keiner Armee fehlen darf. Dein
überlebender Spion muß ein Mann von überragendem Verstand sein, doch mit der äußeren
Erscheinung eines Narren; von schäbigem Äußeren, doch mit einem eisernen Alen. Er muß
tatkräftig sein, widerstandsfähig, stark und mutig: gründlich gewöhnt an alle Sorten
Schmutzarbeit, fähig, Hunger und Kälte zu ertragen und Schmach und Schande auf sich zu
laden.
Der Kaiser Taizu schickte einmal Daxi Wu, um seinen Feind, Shenwu von Qi,
auszuspionieren. Wu wurde von zwei anderen Männern begleitet. Alle drei
waren beritten und trugen die Uniform des Feindes. Als es dunkel wurde,
stiegen sie ein paar hundert Fuß vor dem Lager des Feindes ab und schlichen
verstohlen näher, um zu lauschen, bis sie die Paßwörter aufgeschnappt hatten,
die von der Armee benutzt wurden. Dann stiegen sie wieder auf die Pferde und
ritten in der Verkleidung von Wachsoldaten kühn ins Lager ein; und mehr als
einmal, als sie zufällig einen Soldaten sahen, der gegen die Disziplin verstieß,
blieben sie tatsächlich stehen und versetzten dem Missetäter eine gehörige
Tracht Prügel! So gelang es ihnen, mit allen wichtigen Informationen über die
Pläne des Feindes zurückzukehren, und sie wurden freundlich vom Kaiser
aufgenommen, der nach ihrem Bericht in der Lage war, seinem Gegner eine
schwere Niederlage beizubringen.
Es darf in der ganzen Armee keine vertrauteren Beziehungen geben als jene, die mit Spionen
aufrechterhalten werden. Keine andere Beziehung sollte großzügiger belohnt werden. In
keiner anderen Beziehung sollte größere Diskretion geübt werden.
Spione können ohne eine gewisse intuitive Klugheit nicht nützlich eingesetzt werden. Bevor
wir Spione benutzen, müssen wir uns der Rechtschaffenheit ihres Charakters und des
Ausmaßes ihrer Erfahrung und Geschicklichkeit versichern. Ein unverschämtes Auftreten und
ein Hang zur Verschlagenheit sind gefährlicher als Berge oder Flüsse; es braucht einen weisen
Mann, diese zu durchschauen.
Spione können nicht ohne Wohlwollen und Aufrichtigkeit geführt werden.
Ohne scharfe geistige Gewandtheit können wir nicht sicher sein, was an ihren Berichten wahr
ist.
Sei umsichtig! Und benutze deine Spione für jede Unternehmung.
Wenn eine geheime Nachricht von einem Spion verbreitet wird, bevor die Zeit reif ist, muß er
zusammen mit demjenigen, dem das Geheimnis erzählt wurde, getötet werden.
Ob es darum geht, eine Armee zu zerschmettern, eine Stadt zu stürmen oder einen einzelnen
zu ermorden, es ist immer nötig, zu Anfang die Namen der Wächter herauszufinden, der
Adjutanten, der Türsteher und der Leibwächter des befehlshabenden Generals. Wir müssen
unseren Spionen auftragen, diese Namen in Erfahrung zu bringen.
Die Spione des Feindes, die zum Spionieren zu uns kommen, müssen entdeckt, mit
Geldbestechungen verlockt, fortgeführt und bequem untergebracht werden. So werden sie zu
übergelaufenen Spionen und stehen uns zur Verfügung.
Durch die Informationen, die der übergelaufene Spion bringt, können wir eingeborene und
innere Spione anwerben. Wir müssen den übergelaufenen Spion in unsere Dienste locken,
weil er es ist, der weiß, welche Einwohner geldgierig und welche Beamten bestechlich sind.
Und seine Informationen machen es weiterhin möglich, den todgeweihten Spion mit falschen
Informationen zum Feind zu schicken.
Und schließlich kann durch seine Informationen der überlebende Spion zu bestimmten
Zwecken benutzt werden.
Das Ziel und der Sinn der Spionage in allen fünf Erscheinungsformen ist es, Wissen über den
Feind zu erlangen; und dieses Wissen kann in erster Linie nur vom übergelaufenen Spion
kommen. Er bringt nicht nur selbst Informationen, sondern er macht es auch möglich, die
anderen Arten von Spionen vorteilhaft zu nutzen. So ist es wichtig, daß der übergelaufene
Spion mit äußerster Großzügigkeit behandelt wird.
Der Aufstieg der Yin-Dynastie war hauptsächlich Yi Ji zu verdanken, der unter den Xia
gedient hatte. Gleichermaßen war der Aufstieg der Zhou-Dynastie Lu Ya zu verdanken, der
unter den Yin gedient hatte.
So wird der erleuchtete Herrscher und der weise General die Intelligentesten seiner Armee als
Spione einsetzen und auf diese Weise hervorragende Erfolge erzielen.
Spione sind ein äußerst wichtiges Element des Krieges, denn von ihnen hängt die Fähigkeit
der Armee ab, sich zu bewegen. Im Frieden bereite dich auf den Krieg vor,
im Krieg bereite dich auf den Frieden vor.
Die Kunst des Krieges ist für den Staat von entscheidender
Bedeutung.
Sie ist eine Angelegenheit von Leben und Tod,
eine Straße die zur Sicherheit oder in den Untergang
führt.
Deshalb darf sie unter keinen Umständen vernachlässigt werden... 好长啊。:) 原帖由 apfel 于 2007-4-11 00:03 发表 http://www.dolc.de/forum/images/common/back.gif
Inhalt
Vorwort
I Planung
II Über die Kriegführung
III Das Schwert in der Scheide
IV Taktik
V Energie
VI Schwache und starke Punkte
VII Manöver
VIII Taktische Varianten
IX Die ...
Ist der Text von Dir? mark
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