澄澈 发表于 2009-4-4 22:28

第九封信

Furuborg, Jonsered, in Schweden                                                                        am 4. November 1904

MEIN LIEBER HERR KAPPUS,

in dieser Zeit, die ohne Brief vergangen ist, war ich teils unterwegs, teils so beschäftigt, daß ich nicht schreiben konnte. Und auch heute fällt das Schreiben mir schwer, weil ich schon viele Briefe schreiben mußte, so daß meine Hand müde ist. Könnte ich diktieren, so würde ich Ihnen vieles sagen, so aber nehmen Sie nur wenige Worte für Ihren langen Brief.

Ich denke, lieber Herr Kappus, oft und mit so konzentrierten Wünschen an Sie, daß Ihnen das eigentlich irgendwie helfen müßte. Ob meine Briefe wirklich eine Hilfe sein können, daran zweifle ich oft. Sagen Sie nicht: Ja, sie sind es. Nehmen Sie sie ruhig auf und ohne vielen Dank, und lassen Sie uns abwarten, was kommen will.

Es nützt vielleicht nichts, daß ich nun auf Ihre einzelnen Worte eingehe; denn was ich über Ihre Neigung zum Zweifel sagen könnte oder über Ihr Unvermögen, das äußere und innere Leben in Einklang zu bringen, oder über alles, was Sie sonst bedrängt -: es ist immer das, was ich schon gesagt habe: immer der Wunsch, Sie möchten Geduld genug in sich finden, zu ertragen, und Einfalt genug, zu glauben; Sie möchten mehr und mehr Vertrauen gewinnen zu dem, was schwer ist, und zu Ihrer Einsamkeit unter den anderen. Und im übrigen lassen Sie sich das Leben geschehen. Glauben Sie mir: das Leben hat recht, auf alle Fälle.

Und von den Gefühlen: Rein sind alle Gefühle, die Sie zusammenfassen und aufheben; unrein ist das Gefühl, das nur eine Seite Ihres Wesens erfaßt und Sie so verzerrt. Alles, was Sie angesichts Ihrer Kindheit denken können, ist gut. Alles, was mehr aus Ihnen macht, als Sie bisher in Ihren besten Stunden waren, ist recht. Jede Steigerung ist gut, wenn sie in Ihrem ganzen Blute ist, wenn sie nicht Rausch ist, nicht Trübe, sondern Freude, der man auf den Grund sieht. Verstehen Sie, was ich meine?

Und Ihr Zweifel kann eine gute Eigenschaft werden, wenn Sie ihn erziehen. Er muß wissend werden, er muß Kritik werden. Fragen Sie ihn, sooft er Ihnen etwas verderben will, weshalb etwas häßlich ist, verlangen Sie Beweise von ihm, prüfen Sie ihn, und Sie werden ihn vielleicht ratlos und verlegen, vielleicht auch aufbegehrend finden. Aber geben Sie nicht nach, fordern Sie Argumente und handeln Sie so, aufmerksam und konsequent, jedes einzelne Mal, und der Tag wird kommen, da er aus einem Zerstörer einer Ihrer besten Arbeiter werden wird, - vielleicht der klügste von allen, die an Ihrem Leben bauen.

Das ist alles, lieber Herr Kappus, was ich Ihnen heute zu sagen vermag. Aber ich sende Ihnen zugleich den Separatdruck einer kleinen Dichtung, die jetzt in der Prager >Deutschen Arbeit< erschienen ist. Dort rede ich weiter zu Ihnen vom Leben und vom Tode und davon, daß beides groß und herrlich ist.
                                                                                                   
                                                                                                       Ihr:Rainer Maria Rilke

澄澈 发表于 2009-4-4 22:29

第十封信

Paris, am zweiten Weihnachtstage 1908

Sie sollen wissen, lieber Herr Kappus, wie froh ich war, diesen schönen Brief von Ihnen zu haben. Die Nachrichten, die Sie mir geben, wirklich und aussprechbar, wie sie nun wieder sind, scheinen mir gut, und je länger ichs bedachte, desto mehr empfand ich sie als tatsächlich gute. Dieses wollte ich Ihnen eigentlich zum Weihnachtsabend schreiben; aber über der Arbeit, in der ich diesen Winter vielfach und ununterbrochen lebe, ist das alte Fest so schnell herangekommen, daß ich kaum mehr Zeit hatte, die nötigsten Besorgungen zu machen, viel weniger zu schreiben. Aber gedacht hab ich an Sie in diesen Festtagen oft und mir vorgestellt, wie still Sie sein müssen in Ihrem einsamen Fort zwischen den leeren Bergen, über die sich jene großen südlichen Winde stürzen, als wollten sie sie in großen Stücken verschlingen.

Die Stille muß immens sein, in der solche Geräusche und Bewegungen Raum haben, und wenn man denkt, daß zu allem noch des entferntesten Meeres Gegenwart hinzukommt und mittönt, vielleicht als der innerste Ton in dieser vorhistorischen Harmonie, so kann man Ihnen nur wünschen, daß Sie vertrauensvoll und geduldig die großartige Einsamkeit an sich arbeiten lassen, die nicht mehr aus Ihrem Leben wird zu streichen sein; die in allem, was Ihnen zu erleben und zu tun bevorsteht, als ein anonymer Einfluß fortgesetzt und leise entscheidend wirken wird, etwa wie in uns Blut von Vorfahren sich unablässig bewegt und sich mit unserm eigenen zu dem Einzigen, nicht Wiederholbaren zusammensetzt, das wir an jeder Wendung unseres Lebens sind.

Ja: ich freue mich, daß Sie diese feste, sagbare Existenz mit sich haben, diesen Titel, diese Uniform, diesen Dienst, alles dieses Greifbare und Beschränkte, das in solchen Umgebungen mit einer gleich isolierten nicht zahlreichen Mannschaft Ernst und Notwendigkeit annimmt, über das Spielerische und Zeithinbringende des militärischen Berufs hinaus eine wachsame Verwendung bedeutet und eine selbständige Aufmerksamkeit nicht nur zuläßt, sondern geradezu erzieht. Und daß wir in Verhältnissen sind, die an uns arbeiten, die uns vor große natürliche Dinge stellen von Zeit zu Zeit, das ist alles, was not tut.

Auch die Kunst ist nur eine Art zu leben, und man kann sich, irgendwie lebend, ohne es zu wissen, auf sie vorbereiten; in jedem Wirklichen ist man ihr näher und benachbarter als in den unwirklichen halbartistischen Berufen, die, indem sie eine Kunstnähe vorspiegeln, das Dasein aller Kunst praktisch leugnen und angreifen, wie etwa der ganze Journalismus es tut und fast alle Kritik und dreiviertel dessen, was Literatur heißt und heißen will. Ich freue mich, mit einem Wort, daß Sie die Gefahr, dahinein zu geraten, überstanden haben und irgendwo in einer rauhen Realität einsam und mutig sind. Möchte das Jahr, das bevorsteht, Sie darin erhalten und bestärken.

                                          Immer                                             Ihr:
                                                                                             R. M. Rilke

阿芬 发表于 2009-4-4 23:01

第二个link我打开怎么是乱码涅~~{:5_339:}

是否 发表于 2009-4-4 23:05

你调调你的浏览器字符编码。我看着反正不是乱码。

PS. 澄美女实在太文艺了~~ 我在这儿都不敢出声~~ {:5_387:}

阿芬 发表于 2009-4-4 23:07

好了,哈哈,我还真是电脑白吃~~
澄mm真是文艺的一塌糊涂,我几乎每天都盯着她会发什么好文章~~
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查看完整版本: 里尔克 ---《给一个青年诗人的十封信》