Habe ich meinen CV richtig gestaltet?
"Nach meinem wirtschaftswissenschaftlichen Studium und zwei Praktika in der Automobilindustrie bzw. im IT-Bereich (eines davon im Ausland), bin ich in ein Pharmaunternehmen eingetreten und habe mich dort in 13 Jahren in eine Führungsposition mit Verantwortung für Rechnungswesen, Controlling, IT und Verwaltung hochgearbeitet. Die Position ist mit viel Verantwortung verbunden, dennoch möchte ich mit 42 Jahren für meine weitere berufliche Entwicklung noch einmal etwas ganz Neues in die Hand nehmen, um die vielen Erfahrungen nutzbringend anzuwenden. Die neue Position soll für mich persönlich eine Herausforderung sein, sie soll mir aber auch neue Sichtweisen eröffnen. Ich bin sicher, dass ein anderes Unternehmen von meinen vielschichtigen Erfahrungen profitieren kann. Nun stelle ich aber fest, dass der Bewerbungsprozess nicht die gewünschte Resonanz bringt. Liegt es an der einschlägigen Berufserfahrung? Liegt es an meinem Gehalt? Liegt es an der Gestaltung meines Lebenslaufes? Habe ich in anderen Branchen überhaupt Chancen? Wie sehen meine Mitbewerber aus? Es gibt also viele Fragen und ich suche darauf Antworten. Können sie mir zur Gestaltung meines Lebenslaufs einen Ratschlag geben?"
Harald M.
Sehr geehrter, lieber Herr M.,
zunächst einmal liest sich Ihre Vita wie eine Erfolgstory, die sich mancher wünschen würde, der es nicht so weit gebracht hat. Ihr Bedürfnis nach einem Wechsel ist verständlich und aus meiner Sicht eine richtige Entscheidung, um flexibel zu bleiben. In den letzten 15 Jahren hat sich im Umfeld der Unternehmen viel geändert. Da Sie seit 13 Jahren sozusagen gut aufgehoben waren und offensichtlich immer noch sind, müssen Sie sich mit den Gegebenheiten der heutigen Situation im Bewerbermarkt zunächst einmal befassen und auch anfreunden. Sie wechseln, wenn auch nur für einen begrenzten Zeitraum, die Seiten. Sie sind nicht der Gefragte, sondern der „Fragende". Mit anderen Worten, jetzt ist es wichtig, dass Sie sich gut verkaufen, also gut vorbereiten auf einen ersten Kontakt. Zudem gibt es unterschiedliche Wege, den persönlichen Kontakt zu einem neuen Arbeitgeber herzustellen: die Zusammenarbeit mit einem guten Personalberater, oder die direkte Kontaktaufnahme, wenn Sie - auf welchem Wege auch immer - Kenntnis erlangen über eine interessante Position, die sie anspricht.
Ich konzentriere mich zunächst auf die zuletzt genannte Möglichkeit, da Sie bereits Aktivitäten durchgeführt haben. Ihre Eintrittskarte ist der Lebenslauf, den Sie überlassen. Mit ihm müssen Sie Ihren möglichen Gesprächspartner auf sich neugierig machen. Der Lebenslauf ist keine Lebensgeschichte, sondern ein Stichpunktregister, das dem Suchenden einen ersten Überblick und Eindruck vermitteln soll. Der Leser will schnell und konkret erfahren, ob grundsätzliche Übereinstimmungen zum gewünschten Profil vorhanden sind. Entsprechend richtet sich der erste Blick auf Alter, Unternehmen, Dauer der Zugehörigkeit, Position, gegebenenfalls Anzahl der Mitarbeiter, die Ihnen direkt unterstellt waren. Detaillierte Erläuterungen zum Unternehmen wie Umsatz, Anzahl der Mitarbeiter, Ausführungen zu Verschmelzungen etc. sind nicht Bestandteil des CV. Personaler kennen die für sie relevanten Unternehmen und der Blick ins Internet klärt schnell alle Fragen. Auch sollten in EURO angegebene Erfolge nicht dargestellt werden, das könnte falsch interpretiert werden.
Streichen Sie alle ausführlichen Details, mit denen Sie emotional stark verbunden sind, weil sie vielleicht persönlich wichtig waren für Ihre erfolgreiche Entwicklung. Den außen Stehenden interessiert das nicht, er hat eine andere Sicht der Dinge, weil er Ihr Unternehmen nicht kennt. Beschreiben Sie nicht solche Aufgaben, die für eine Position selbstverständlich sind und sowieso erwartet werden. Allerdings dürfen Sie spezielle Projekte, die sie initiiert und implementiert haben, die unter Ihrer Verantwortung erfolgreich durchgeführt wurden, jederzeit aufführen, besonders dann, wenn diese für das künftige Unternehmen interessant sein könnten - aber immer auch in wenigen Stichworten. Das macht neugierig, so können Sie punkten. Bevor Sie das Grundgerüst Ihres Lebenslaufes erweitern, werfen Sie immer den Blick auf das Unternehmen, für das Sie sich bewerben. Was wird von der ausgeschriebenen Position erwartet? Was können Sie aus Ihrem persönlichen Wissens-Portfolio davon zur Verfügung stellen? Welchen Nutzen können Sie generieren? Sie kommen also nicht darum herum, sich mit dem künftigen Unternehmen bereits im Vorfeld intensiv auseinanderzusetzen, damit Sie die möglichen Bedürfnisse der gesuchten Position erahnen und auf der gleichen Welle liegen.
Insbesondere, wenn Sie die Branche wechseln wollen, z.B. zu einem Automobilzulieferer, wie Sie es in Ihrem Schreiben u. a. erwähnt hatten, dann sind die Aufgabenstellungen dort anders geprägt als in einem Vertriebsunternehmen der Pharma-Branche. Trotz der vielen gemeinsamen Zielrichtungen - nämlich den Erfolg zu haben und darzustellen - unterscheiden sich die Strategien erheblich voneinander. Wenn es Ihnen also gelingt, diesen unternehmerischen Blick auf das neue Unternehmen zu richten und Ihren CV in diesem Sinne nach Synergien aufzubauen, dann werden Sie ihre Chancen erheblich verbessern. Wenn Sie die Chancen zu einem Vorstellungsgespräch erhöhen möchten, ist es wichtig, dass sich in Ihrem CV die Verantwortlichkeiten widerspiegeln, die beim möglichen neuen Arbeitgeber priorisiert werden. Diese gilt es herauszufinden.
(Januar 2009) |