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Statt Werbeerfolg neue Rechnungen
TUTTLINGEN - "Werbungsvertrae-ge: Vor der Unterschrift das Gehirn einschalten": Mit Kleinanzeigen will ein Tuttlinger Handwerksmeister andere Selbststaendige vor einem Reinfall bewahren, wie er ihn erlebt hat: Hartmut M. (Name von der Redaktion geaendert) wurde Opfer eines Offertenschwindels.
Von unserer Redakteurin Bettina Gonser
"Man hat mich einfach reingelegt", sagt Hartmut M. Und erzaehlt dann, wie es dazu kam. Es ging um eine Anzeige in einem Telefonverzeichnis. "Im Auftrag der Stadt", habe es geheissen: "Das hat mir das Genick gebrochen", sagt der Handwerksmeister. Er ging davon aus, dass es sich um eine serioese Sache handeln müsse. Ausserdem kam der Werber in der Mittagspause. Es pressierte.
Also unterschrieb Hartmut M. Runde 300 Euro sollte er für die Anzeige bezahlen. Doch er übersah den handschriftlichen Zusatz im Vertrag: "Fünf Auflagen vereinbart", hiess es da. Und alle extra zu begleichen. Insgesamt, so rechnet der Geprellte vor, müsse er 2500 Euro bezahlen: "Und der Werbeerfolg ist gleich null." Hartmut M. ging zum Rechtsanwalt, doch der winkte ab: Keine Chance. Der Vertrag ist wasserdicht abgefasst.
Immer dieselbe Machart
Faelle wie diese kennt die Polizei zur Genüge. Sie laufen unter dem Begriff Offertenschwindel. "Die Machart ist immer die gleiche", erklaert Wolfgang Schoch, der Pressesprecher der Polizeidirektion Tuttlingen. Besonders gerne würden Handwerksbetriebe und vor allem Existenzgründer abgezockt.
Gelockt wird zum einen mit vermeintlich attraktiven Werbetraegern wie Adressbüchern oder Branchenregistern, Verzeichnissen von Faxnummern oder Notruftafeln. Zum anderen werden die Selbststaendigen mit Broschüren gekoedert, die angeblich für einen guten Zweck sein sollen. Misshandelte Kinder, gequaelte Tiere: Da sitzt das Geld gleich lockerer, zumal, wenn der Name einer bekannten Behoerde oder Organisation genannt wird, in deren Auftrag angeblich gehandelt werde.
Das bittere Erwachen folgt auf dem Fusse. Nicht nur, dass die Verzeichnisse, in denen die Anzeigen dann erscheinen, haeufig nur in einer minimalen Auflage gedruckt werden: Oft müssten die Geschaeftsleute sie auch noch selber verteilen, weiss Wolfgang Schoch. Hinzu kommt die Sache mit dem Abo-Auftrag wie bei Hartmut M. Schoch kennt Faelle, in denen Kleinstbetriebe hohe Summen aufbringen mussten - bis hin zu fünfstelligen Euro-Betraegen.
"Die werden zweifach gelinkt", sagt der Polizeisprecher. Zum einen werde teures Geld für nutzlose Werbung gezahlt, zum anderen werde die gute Absicht hintergangen. Die geschulten Werber kennen die Tricks, mit denen sie sich ihre Provision erschwaetzen und reagieren variabel: je nachdem, wie sich das Gegenüber verhaelt, sind sie mal einschmeichelnd, mal aggressiv. "Es zaehlt nur die Unterschrift zum Schluss" sagt Wolfgang Schoch.
Und die gilt, wenn ein Geschaeftsmann unterschreibt. Denn von dem erwartet der Gesetzgeber, dass er weiss, was er tut und auch das Kleingedruckte liest. Ein Rücktrittsrecht ist ausgeschlossen - so wie es auch im Vertrag steht, den Hartmut M. unterzeichnete: "Das Kündigungsrecht gemaess Paragraph 649 BGB wird ausdrücklich ausgeschlossen", heisst es da. "Wenn ein Geschaeftsmann unterschreibt, ist unterschrieben", erklaert Schoch. Wird vom ausserordentlichen Kündigungsrecht Gebrauch gemacht, wird ein pauschaler Schadensersatz von 80 Prozent faellig.
Trotzalledem: Es gibt nicht nur schwarze Schafe. Polizeihauptkommissar Wolfgang Schoch entfaltet einen Tuttlinger Stadtplan, der jede Menge Anzeigen enthaelt. Und diesmal ist auch wirklich die Stadt Tuttlingen mit von der Partie.}
Das Kleingedruckte sollten Geschaeftsleute genau unter die Lupe nehmen, bevor sie einen Werbungsvertrag unterschreiben - denn sie sind vom normalen Kündigungsrecht ausgeschlossen. Foto: Waltraud Klee
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