8月15日
Welt ohne MenschenVon Samiha Shafy
Wie sähe die Erde aus, wenn die Menschheit plötzlich verschwände? Ein US-Autor wagt ein kühnes Gedankenexperiment.
Es muss ja keine atomare Katastrophe sein, kein Meteoriteneinschlag, kein anderes grauenvolles Ereignis. Auch kein düsteres Umweltszenario, kein schleichender Untergang. Nehmen wir einfach an, die Menschheit wäre verschwunden. Plötzlich weg, einfach so. Die Erde wäre auf einen Schlag befreit von 6,7 Milliarden Menschen.
Das ist zwar nicht besonders wahrscheinlich - aber, wie der US-Autor Alan Weisman in seinem neuen Buch beweist, ein durchaus faszinierendes Gedankenexperiment*. Für seine Recherche bereiste Weisman fünf Kontinente, er besuchte ein kleines Urvolk in Ecuador, ein entlegenes Korallenriff im Pazifik, das Niemandsland zwischen Nord- und Südkorea, die Reaktorruine in Tschernobyl. Er flog in einer Cessna über kenianische Nationalparks und stieg hinab in die New Yorker U-Bahn-Schächte. Unterwegs sprach er mit Biologen, Ingenieuren, Geologen, Physikern, Archäologen und Architekten, und stets stellte er dieselbe Frage: Was geschähe mit der Welt, wenn der Mensch nicht mehr wäre?
Afrika, so Weismans Fazit, würde besonders rasch wieder in seinen ursprünglichen Zustand zurückkehren. Seine Pflanzenwelt ist weitgehend frei von exotischen Eindringlingen: Elefanten, Giraffen, Nashörner und Flusspferde sind noch nicht ausgestorben wie die meisten großen Säugetiere Amerikas oder Australiens. Der Pavian, einer der wenigen Primaten, die sich ans Leben außerhalb des Waldes angepasst haben, hätte Aussicht, jenen Platz in der Savanne einzunehmen, den einst die Vorfahren des Menschen besetzten.
Der größte Gewinner in dem Gedankenspiel aber ist: das Gnu. Denn die Massai-Hirten in Kenia und Tansania sind seine natürlichen Konkurrenten: Sie lassen ihre Rinder während der Regenzeit in den Grassavannen weiden und bringen sie zu den Wasserlöchern zurück, wenn die Trockenzeit beginnt. Ohne den Schutz der Massai-Speere wären die Rinder aufgeschmissen - in den Jahrtausenden des geruhsamen Zusammenlebens mit den Menschen ist ihr Magen zu einem überdimensionierten Gärbottich angeschwollen, der sie träge und langsam macht - und damit zur leichten Beute für Hyänen und Löwen. Stürben sie aber aus, so bliebe doppelt so viel Futter für andere Grasfresser - genug für anderthalb Millionen Gnus. |