Der inzwischen dunkelrote Sonnenball spiegelte sich als Lichtpunkt in seinen Augen. „Ehe meine Großmutter starb, weihte sie mich in ein Geheimnis ein. Sie sagte, es gäbe etwas in jedem von uns, das wie ein Magnet andere Menschen und auch Geschehnisse anzieht. Ein Teil dieses Magneten sind unsere Sehnsüchte.“
Er nahm den Tonklumpen wieder von ihrer Handfläche und begann ihn mit zwei Fingern vorsichtig zu verformen. Als würde er den Ton liebkosen, ganz so, wie sie selbst es immer tat.
„Der Mensch, den wir uns an unsere Seite ersehnen ist jemand, der sehen kann, was wir sehen“, fuhr er fort. „Jemand, der spürt, was wir spüren. Dem wir nicht erklären müssen, was wir wissen, denken oder fühlen. Meine Großmutter sagte mir, dass dieser Mensch bereits irgendwo dort draußen wartet und dieselbe Sehnsucht in sich trägt, wie ich. Das war mir ein gewisser Trost, doch wie sollte ich diesem Menschen begegnen?“
Er formte den zweiten Flügel der Möwe, die langsam wirkte, wie ein Vogel im Augenblick der Landung, ganz kurz bevor er den Boden berührt.
„Meine Großmutter erklärte mir, dass ein weiterer Teil des Geheimnisses darin läge, dass diese beiden Menschen sich erst in dem Augenblick finden können, wenn sie aufgehört hätten zu suchen. Nur dann könnten ihre Herzen sich spüren.“
Er formte mit zwei geübten Griffen den Schnabel.
„Ich strengte mich wirklich an, aber es gelang mir nicht. Je mehr ich versuchte, nicht mehr zu suchen, umso stärker wurde mein Gefühl, auf der Suche zu sein. Ich wurde immer verzweifelter, weil ich es nicht schaffte, nicht mehr zu suchen. Ich dachte, ich wäre in meiner Entwicklung und meinen Fähigkeiten noch nicht weit genug gekommen und je mehr ich dies beobachtete, umso elender fühlte ich mich. Ich holte mir Rat von weisen Menschen, las Bücher und besuchte Schulen, nur um zu lernen meine Suche loszulassen. Und je mehr ich dies versuchte, umso klarer wurde mir, dass ich auf einer weiteren Suche war: auf der Suche nach dem Weg meine Suche loszulassen. Es wurde immer komplizierter und nie zuvor fühlte ich mich weiter von mir selbst entfernt. Irgendwann erzählte ich meiner Großmutter davon.“
Sie konnte nicht sagen, wie er es gemacht hatte, aber auf einmal waren die Schwanzfedern der Möwe fertig. So lebendig!
„Sie sagte, ich hätte gerade den ersten Schritt getan: Mich selbst zu sehen und zu spüren, wie ich suchte und dass es nichts gab, was diese Suche in mir beenden konnte, solange ich eben dies erreichen wollte. Während sie mir über den Kopf strich - etwas, mit dem sie mich schon als Kind immer beruhigt hatte - erklärte sie, dass dieser erste Schritt nicht nur gut sei, sondern die Grundlage für den nächsten. Meine Großmutter sagte, ich sollte meiner Sehnsucht jetzt eine Form geben, die andere sehen könnten. Sie sagte, jede Form sei ein Magnet für andere Menschen und ein Magnet würde immer genau das anziehen, was zu ihm passt.
[ 本帖最后由 是否 于 2008-10-22 22:07 编辑 ] |