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发表于 2009-4-18 15:48
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拇指姑娘
Daeumelinchen
Es war einmal eine Frau, die sich sehr nach einem kleinen Kinde sehnte, aber sie wusste nicht, woher sie es nehmen sollte. Da ging sie zu einer alten Hexe und sagte zu ihr: ?Ich moechte herzlich gern ein kleines Kind haben, willst du mir nicht sagen, woher ich das bekommen kann??
?Ja, damit wollen wir schon fertig werden!? sagte die Hexe. ?Da hast du ein Gerstenkorn; das ist gar nicht von der Art, wie sie auf dem Felde des Landmanns wachsen oder wie sie die Huehner zu fressen bekommen; lege das in einen Blumentopf, so wirst du etwas zu sehen bekommen!?
?Ich danke dir!? sagte die Frau und gab der Hexe fuenf Groschen, ging dann nach Hause, pflanzte das Gerstenkorn, und sogleich wuchs da eine herrliche, grosse Blume; sie sah aus wie eine Tulpe, aber die Blaetter schlossen sich fest zusammen, gerade als ob sie noch in der Knospe waeren.
?Das ist eine niedliche Blume!? sagte die Frau und kuesste sie auf die roten und gelben Blaetter, aber gerade wie sie darauf kuesste, oeffnete sich die Blume mit einem Knall. Es war eine wirkliche Tulpe, wie man nun sehen konnte, aber mitten in der Blume sass auf dem gruenen Samengriffel ein ganz kleines Maedchen, fein und niedlich, es war nicht ueber einen Daumen breit und lang, deswegen wurde es Daeumelinchen genannt.
Eine niedliche, lackierte Walnussschale bekam Daeumelinchen zur Wiege, Veilchenblaetter waren ihre Matratze und ein Rosenblatt ihr Deckbett. Da schlief sie bei Nacht, aber am Tage spielte sie auf dem Tisch, wo die Frau einen Teller hingestellt, um den sie einen ganzen Kranz von Blumen gelegt hatte, deren Stengel im Wasser standen. Hier schwamm ein grosses Tulpenblatt, und auf diesem konnte Daeumelinchen sitzen und von der einen Seite des Tellers nach der anderen fahren; sie hatte zwei weisse Pferdehaare zum Rudern. Das sah ganz allerliebst aus. Sie konnte auch singen, und so fein und niedlich, wie man es nie gehoert hatte.
Einmal nachts, als sie in ihrem schoenen Bette lag, kam eine Kroete durch eine zerbrochene Scheibe des Fensters hereingehuepft. Die Kroete war haesslich, gross und nass, sie huepfte gerade auf den Tisch herunter, auf dem Daeumelinchen lag und unter dem roten Rosenblatt schlief.
?Das waere eine schoene Frau fuer meinen Sohn!? sagte die Kroete, und da nahm sie die Walnussschale, worin Daeumelinchen schlief, und huepfte mit ihr durch die zerbrochene Scheibe fort, in den Garten hinunter.
Da floss ein grosser, breiter Fluss; aber gerade am Ufer war es sumpfig und morastig; hier wohnte die Kroete mit ihrem Sohne. Hu, der war haesslich und garstig und glich ganz seiner Mutter. ?Koax, koax, brekkerekekex!? Das war alles, was er sagen konnte, als er das niedliche kleine Maedchen in der Walnussschale erblickte.
?Sprich nicht so laut, denn sonst erwacht sie!? sagte die alte Kroete. ?Sie koennte uns noch entlaufen, denn sie ist so leicht wie ein Schwanenflaum! Wir wollen sie auf eins der breiten Seerosenblaetter in den Fluss hinaussetzen, das ist fuer sie, die so leicht und klein ist, gerade wie eine Insel; da kann sie nicht davonlaufen, waehrend wir die Staatsstube unten unter dem Morast, wo ihr wohnen und hausen sollt, instand setzen.?
Draussen in dem Flusse wuchsen viele Seerosen mit den breiten, gruenen Blaettern, die aussehen, als schwaemmen sie oben auf dem Wasser. Das am weitesten hinausliegende Blatt war auch das allergroesste; dahin schwamm die alte Kroete und setzte die Walnussschale mit Daeumelinchen darauf.
Das kleine Wesen erwachte fruehmorgens, und da es sah, wo es war, fing es recht bitterlich an zu weinen; denn es war Wasser zu allen Seiten des grossen, gruenen Blattes, und es konnte gar nicht an Land kommen.
Die alte Kroete sass unten im Morast und putzte ihre Stube mit Schilf und gelben Blumen aus – es sollte da recht huebsch fuer die neue Schwiegertochter werden. Dann schwamm sie mit dem haesslichen Sohne zu dem Blatte, wo Daeumelinchen stand. Sie wollten ihr huebsches Bett holen, das sollte in das Brautgemach gestellt werden, bevor sie es selbst betrat. Die alte Kroete verneigte sich tief im Wasser vor ihr und sagte: ?Hier siehst du meinen Sohn; er wird dein Mann sein, und ihr werdet recht praechtig unten im Morast wohnen!?
?Koax, koax, brekkerekekex!? war alles, was der Sohn sagen konnte.
Dann nahmen sie das niedliche, kleine Bett und schwammen damit fort; aber Daeumelinchen sass ganz allein und weinte auf dem gruenen Blatte, denn sie mochte nicht bei der garstigen Kroete wohnen oder ihren haesslichen Sohn zum Manne haben. Die kleinen Fische, die unten im Wasser schwammen, hatten die Kroete wohl gesehen, und sie hatten auch gehoert, was sie gesagt hatte; deshalb streckten sie die Koepfe hervor, sie wollten doch das kleine Maedchen sehen. Sie fanden es sehr niedlich und bedauerten, dass es zur haesslichen Kroete hinunter sollte. Nein, das durfte nie geschehen! Sie versammelten sich unten im Wasser rings um den gruenen Stengel, der das Blatt hielt, nagten mit den Zaehnen den Stiel ab, und da schwamm das Blatt den Fluss hinab mit Daeumelinchen davon, weit weg, wo die Kroete sie nicht erreichen konnte.
Daeumelinchen segelte an vielen Staedten vorbei, und die kleinen Voegel sassen in den Bueschen, sahen sie und sangen: ?Welch liebliches, kleines Maedchen!? Das Blatt schwamm mit ihr immer weiter und weiter fort; so reiste Daeumelinchen ausser Landes.
Ein niedlicher, weisser Schmetterling umflatterte sie stets und liess sich zuletzt auf das Blatt nieder, denn Daeumelinchen gefiel ihm. Sie war sehr erfreut; denn nun konnte die Kroete sie nicht erreichen, und es war so schoen, wo sie fuhr; die Sonne schien aufs Wasser, das wie lauteres Gold glaenzte. Sie nahm ihren Guertel, band das eine Ende um den Schmetterling, das andere Ende des Bandes befestigte sie am Blatte; das glitt nun viel schneller davon und sie mit, denn sie stand ja darauf.
Da kam ein grosser Maikaefer angeflogen, der erblickte sie, schlug augenblicklich seine Klauen um ihren schlanken Leib und flog mit ihr auf einen Baum. Das gruene Blatt schwamm den Fluss hinab und der Schmetterling mit, denn er war an das Blatt gebunden und konnte nicht loskommen.
Wie war das arme Daeumelinchen erschrocken, als der Maikaefer mit ihr auf den Baum flog! Aber hauptsaechlich war sie des schoenen, weissen Schmetterlings wegen betruebt, den sie an das Blatt festgebunden hatte. Wenn er sich nicht befreien konnte, musste er ja verhungern! Darum kuemmerte sich der Maikaefer nicht. Er setzte sich mit ihr auf das groesste gruene Blatt des Baumes, gab ihr das Suesse der Blumen zu essen und sagte, dass sie niedlich sei, obgleich sie einem Maikaefer durchaus nicht gleiche. Spaeter kamen alle die anderen Maikaefer, die im Baume wohnten, und besuchten sie; sie betrachteten Daeumelinchen, und die Maikaeferfraeulein ruempften die Fuehlhoerner und sagten: ?Sie hat doch nicht mehr als zwei Beine; das sieht erbaermlich aus.? – ?Sie hat keine Fuehlhoerner!? sagte eine andere. ?Sie ist so schlank in der Mitte; pfui, sie sieht wie ein Mensch aus! Wie haesslich sie ist!? sagten alle Maikaeferinnen, und doch war Daeumelinchen so niedlich. Das erkannte auch der Maikaefer, der sie geraubt hatte, aber als alle anderen sagten, sie sei haesslich, so glaubte er es zuletzt auch und wollte sie gar nicht haben; sie konnte gehen, wohin sie wollte. Sie flogen mit ihr den Baum hinab und setzten sie auf ein Gaensebluemchen; da weinte sie, weil sie so haesslich sei, dass die Maikaefer sie nicht haben wollten, und doch war sie das Lieblichste, das man sich denken konnte, so fein und klar wie das schoenste Rosenblatt.
Den ganzen Sommer ueber lebte das arme Daeumelinchen ganz allein in dem grossen Walde. Sie flocht sich ein Bett aus Grashalmen und hing es unter einem Klettenblatte auf, so war sie vor dem Regen geschaetzt, sie pflueckte das Suesse der Blumen zur Speise und trank vom Tau, der jeden Morgen auf den Blaettern lag. So vergingen Sommer und Herbst. Aber nun kam der Winter, der kalte, lange Winter. Alle Voegel, die so schoen vor ihr gesungen hatten, flogen davon, Baeume und Blumen verdorrten; das grosse Klettenblatt, unter dem sie gewohnt hatte, schrumpfte zusammen, und es blieb nichts als ein gelber, verwelkter Stengel zurueck. Daeumelinchen fror schrecklich, denn ihre Kleider waren entzwei, und sie war selbst so fein und klein, sie musste erfrieren. Es fing an zu schneien, und jede Schneeflocke, die auf sie fiel, war, als wenn man auf uns eine ganze Schaufel voll wirft, denn wir sind gross, und sie war nur einen halben Finger lang. Da huellte sie sich in ein verdorrtes Blatt ein, aber das wollte nicht waermen; sie zitterte vor Kaelte.
Dicht vor dem Walde, wohin sie nun gekommen war, lag ein grosses Kornfeld. Das Korn war schon lange abgeschnitten, nur die nackten, trockenen Stoppeln standen aus der gefrorenen Erde hervor. Sie waren gerade wie ein ganzer Wald fuer sie zu durchwandern, und sie zitterte vor Kaelte! Da gelangte sie vor die Tuer der Feldmaus, die ein kleines Loch unter den Kornstoppeln hatte. Da wohnte die Feldmaus warm und gut, hatte die ganze Stube voll Korn, eine herrliche Kueche und Speisekammer. Das arme Daeumelinchen stellte sich in die Tuer, gerade wie jedes andere arme Bettelmaedchen, und bat um ein kleines Stueck von einem Gerstenkorn, denn sie hatte seit zwei Tagen nicht das mindeste zu essen gehabt.
?Du kleines Wesen!? sagte die Feldmaus, denn im Grunde war es eine gute alte Feldmaus, ?komm herein in meine warme Stube und iss mit mir!?
Da ihr nun Daeumelinchen gefiel, sagte sie: ?Du kannst den Winter ueber bei mir bleiben, aber du musst meine Stube sauber und rein halten und mir Geschichten erzaehlen, denn die liebe ich sehr.? Daeumelinchen tat, was die gute alte Feldmaus verlangte, und hatte es ueber die lange Winterzeit hinweg ausserordentlich gut.
?Nun werden wir bald Besuch erhalten!? sagte die Feldmaus. ?Mein Nachbar pflegt mich woechentlich einmal zu besuchen. Er steht sich noch besser als ich, hat grosse Saele und traegt einen schoenen, schwarzen Samtpelz! Wenn du den zum Manne bekommen koenntest, so waerest du gut versorgt; aber er kann nicht sehen. Du musst ihm, wenn er unser Gast ist, die niedlichsten Geschichten erzaehlen, die du weisst!?
Aber darum kuemmerte sich Daeumelinchen nicht, sie mochte den Nachbar gar nicht haben, denn er war ein Maulwurf.
Er kam und stattete den Besuch in seinem schwarzen Samtpelz ab. Er sei reich und gelehrt, saegte die Feldmaus; seine Wohnung war auch zwanzigmal groesser als die der Feldmaus. Gelehrsamkeit besass er, aber die Sonne und die schoenen Blumen mochte er gar nicht leiden, von beiden sprach er schlecht, denn er hatte sie noch nie gesehen.
Daeumelinchen musste singen, und sie sang:
?Maikaefer flieg!? und: ?Wer will unter die Soldaten?.
Da wurde der Maulwurf der schoenen Stimme wegen in sie verliebt, aber er sagte nichts, er war ein besonnener Mann.
Er hatte sich vor kurzem einen langen Gang durch die Erde von seinem bis zu ihrem Hause gegraben; in diesem erhielten die Feldmaus und Daeumelinchen die Erlaubnis, zu spazieren, soviel sie wollten. Aber er bat sie, sich nicht vor dem toten Vogel zu fuerchten, der in dem Gange liege. Es war ein ganzer Vogel mit Federn und Schnabel, der sicher erst kuerzlich gestorben und nun begraben war, gerade da, wo er seinen Gang gemacht hatte.
Der Maulwurf nahm nun ein Stueck faules Holz ins Maul, denn das schimmert ja wie Feuer im Dunkeln, ging voran und leuchtete ihnen in dem langen, dunklen Gange. Als sie dahin kamen, wo der tote Vogel lag, stemmte der Maulwurf seine breite Nase gegen die Decke und stiess die Erde auf, so dass es ein grosses Loch gab und das Licht hindurchscheinen konnte. Mitten auf dem Fussboden lag eine tote Schwalbe, die schoenen Fluegel fest an die Seite gedrueckt, die Fuesse und den Kopf unter die Federn gezogen; der arme Vogel war sicher vor Kaelte gestorben. Das tat Daeumelinchen leid, sie hielt viel von allen kleinen Voegeln, sie hatten ja den ganzen Sommer so schoen vor ihr gesungen und gezwitschert. Aber der Maulwurf stiess ihn mit seinen kurzen Beinen und sagte: ?Nun pfeift er nicht mehr! Es muss doch erbaermlich sein, als kleiner Vogel geboren zu werden! Gott sei Dank, dass keins von meinen Kindern das wird; ein solcher Vogel hat ja ausser seinem Quivit nichts und muss im Winter verhungern!?
?Ja, das moegt Ihr als vernuenftiger Mann wohl sagen?, erwiderte die Feldmaus. ?Was hat der Vogel fuer all sein Quivit, wenn der Winter kommt? Er muss hungern und frieren; doch das soll wohl ganz besonders vornehm sein!?
Daeumelinchen sagte gar nichts; aber als die beiden andern dem Vogel den Ruecken wandten, neigte sie sich herab, schob die Federn beiseite, die den Kopf bedeckten, und kuesste ihn auf die geschlossenen Augen.
'Vielleicht war er es, der so huebsch vor mir im Sommer sang', dachte sie. 'Wieviel Freude hat er mir nicht gemacht, der liebe, schoene Vogel'
Der Maulwurf stopfte nun das Loch zu, durch das der Tag hereinschien, und begleitete dann die Damen nach Hause. Aber nachts konnte Daeumelinchen gar nicht schlafen. Da stand sie von ihrem Bette auf und flocht von Heu einen grossen, schoenen Teppich. Den trug sie zu dem Vogel, breitete ihn ueber ihn und legte weiche Baumwolle, die sie in der Stube der Feldmaus gefunden hatte, an seine Seiten, damit er in der kalten Erde warm liegen moege.
?Lebe wohl, du schoener, kleiner Vogel!? sagte sie. ?Lebe wohl und habe Dank fuer deinen herrlichen Gesang im Sommer, als alle Baeume gruen waren und die Sonne warm auf uns herabschien!? Dann legte sie ihr Haupt an des Vogels Brust, erschrak aber zugleich, denn es war gerade, als ob drinnen etwas klopfte. Das war des Vogels Herz. Der Vogel war nicht tot, er lag nur betaeubt da, war nun erwaermt worden und bekam wieder Leben.
Im Herbst fliegen alle Schwalben nach den warmen Laendern fort; aber ist da eine, die sich verspaetet, so friert sie so, dass sie wie tot niederfaellt und liegen bleibt, wo sie hinfaellt. Und der kalte Schnee bedeckt sie.
Daeumelinchen zitterte heftig, so war sie erschrocken, denn der Vogel war ja gross, sehr gross gegen sie; aber sie fasste doch Mut, legte die Baumwolle dichter um die arme Schwalbe und holte ein Krauseminzeblatt, das sie selbst zum Deckblatt gehabt hatte, und legte es ganz behutsam ueber den Kopf des Vogels.
In der naechsten Nacht schlich sie sich wieder zu ihm, und da war er nun lebendig, aber ganz matt. Er konnte nur einen Augenblick seine Augen oeffnen und Daeumelinchen ansehen, die mit einem Stueck faulen Holzes in der Hand, denn eine andere Laterne hatte sie nicht, vor ihm stand.
?Ich danke dir, du niedliches, kleines Kind!? sagte die kranke Schwalbe zu ihr. ?Ich bin herrlich erwaermt worden; bald erhalte ich meine Kraefte zurueck und kann dann wieder draussen in dem warmen Sonnenschein herumfliegen!?
?Oh?, sagte Daeumelinchen, ?es ist kalt draussen, es schneit und friert! Bleib in deinem warmen Bette, ich werde dich schon pflegen!?
Dann brachte sie der Schwalbe Wasser in einem Blumenblatt, und diese trank und erzaehlte ihr, wie sie ihren einen Fluegel an einem Dornbusch gerissen und deshalb nicht so schnell habe fliegen koennen wie die andern Schwalben, die fortgezogen seien, weit fort nach den warmen Laendern. So sei sie zuletzt zur Erde gefallen. Mehr wusste sie nicht, und auch nicht, wie sie hierhergekommen war.
Den ganzen Winter blieb sie nun da unten, Daeumelinchen pflegte sie und hatte sie lieb, weder der Maulwurf noch die Feldmaus erfuhren etwas davon, denn sie mochten die arme Schwalbe nicht leiden.
Sobald das Fruehjahr kam und die Sonne die Erde erwaermte, sagte die Schwalbe Daeumelinchen, die das Loch oeffnete, das der Maulwurf oben gemacht hatte, Lebewohl. Die Sonne schien herrlich zu ihnen herein, und die Schwalbe fragte, ob sie mitkommen wolle, sie koennte auf ihrem Ruecken sitzen, sie wollten weit in den gruenen Wald hineinfliegen. Aber Daeumelinchen wusste, dass es die alte Feldmaus betrueben wuerde, wenn sie sie verliess.
?Nein, ich kann nicht!? sagte Daeumelinchen.
?Lebe wohl, lebe wohl, du gutes, niedliches Maedchen!? sagte die Schwalbe und flog hinaus in den Sonnenschein. Daeumelinchen sah ihr nach, und das Wasser trat ihr in die Augen, denn sie war der armen Schwalbe von Herzen gut.
?Quivit, quivit!? sang der Vogel und flog in den gruenen Wald. Daeumelinchen war recht betruebt. Sie erhielt gar keine Erlaubnis, in den warmen Sonnenschein hinauszugehen. Das Korn, das auf dem Felde ueber dem Hause der Feldmaus gesaet war, wuchs auch hoch in die Luft empor; das war ein ganz dichter Wald fuer das arme, kleine Maedchen.
?Nun sollst du im Sommer deine Aussteuer naehen!? sagte die Feldmaus zu ihr; denn der Nachbar, der langweilige Maulwurf in dem schwarzen Samtpelze, hatte um sie gefreit. ?Du musst sowohl Wollen- wie Leinenzeug haben, denn es darf dir an nichts fehlen, wenn du des Maulwurfs Frau wirst!?
Daeumelinchen musste auf der Spindel spinnen, und die Feldmaus mietete vier Raupen, die Tag und Nacht fuer sie webten. Jeden Abend besuchte sie der Maulwurf und sprach dann immer davon, dass, wenn der Sommer zu Ende gehe, die Sonne lange nicht so warm scheinen werde, sie brenne da jetzt die Erde fest wie einen Stein; ja, wenn der Sommer vorbei sei, dann wolle er mit Daeumelinchen Hochzeit halten. Aber sie war gar nicht erfreut darueber, denn sie mochte den langweiligen Maulwurf nicht leiden. Jeden Morgen, wenn die Sonne aufging, und jeden Abend, wenn sie unterging, stahl sie sich zur Tuer hinaus, und wenn dann der Wind die Kornaehren trennte, so dass sie den blauen Himmel erblicken konnte, dachte sie daran, wie hell und schoen es hier draussen sei, und wuenschte sehnlichste die liebe Schwalbe wiederzusehen.
Aber die kam nicht wieder; sie war gewiss weit weg in den schoenen gruenen Wald gezogen.
Als es nun Herbst wurde, hatte Daeumelinchen ihre ganze Aussteuer fertig.
?In vier Wochen sollst du Hochzeit halten!? sagte die Feldmaus. Aber Daeumelinchen weinte und sagte, sie wolle den langweiligen Maulwurf nicht haben.
?Schnickschnack!? sagte die Feldmaus. ?Werde nicht widerspenstig, denn sonst werde ich dich mit meinen weissen Zaehnen beissen! Es ist ja ein schoener Mann, den du bekommst, und das darfst du nicht vergessen. Die Koenigin selbst hat keinen solchen schwarzen Samtpelz! Er hat Kueche und Keller voll. Danke du Gott fuer ihn!?
Nun sollten sie Hochzeit haben. Der Maulwurf war schon gekommen, Daeumelinchen zu holen; sie sollte bei ihm wohnen, tief unter der Erde, nie an die warme Sonne herauskommen, denn die mochte er nicht leiden. Das arme Kind war sehr betruebt; sie sollte nun der schoenen Sonne Lebewohl sagen, die sie doch bei der Feldmaus hatte von der Tuere aus sehen duerfen.
?Lebe wohl, du helle Sonne!? sagte sie, streckte die Arme hoch empor und ging auch eine kleine Strecke weiter vor dem Hause der Feldmaus; denn nun war das Korn geerntet, und hier standen nur die trockenen Stoppeln. ?Lebe wohl, lebe wohl!? sagte sie und schlang ihre Arme um eine kleine rote Blume, die da stand. ?Gruesse die kleine Schwalbe von mir, wenn du sie zu sehen bekommst!?
?Quivit, quivit!? ertoente es ploetzlich ueber ihrem Kopfe, sie sah empor, es war die kleine Schwalbe, die gerade vorbeikam. Sobald sie Daeumelinchen erblickte, wurde sie sehr erfreut; diese erzaehlte ihr, wie ungern sie den haesslichen Maulwurf zum Manne haben wolle und dass sie dann tief unter der Erde wohnen solle, wo nie die Sonne scheine. Sie konnte sich nicht enthalten, dabei zu weinen.
?Nun kommt der kalte Winter?, sagte die kleine Schwalbe; ?ich fliege weit fort nach den warmen Laendern, willst du mit mir kommen? Du kannst auf meinem Ruecken sitzen! Binde dich nur mit deinem Guertel fest, dann fliegen wir von dem haesslichen Maulwurf und seiner dunkeln Stube fort, weit ueber die Berge, nach den warmen Laendern, wo die Sonne schoener scheint als hier, wo es immer Sommer ist und herrliche Blumen gibt. Fliege nur mit, du liebes, kleines Daeumelinchen, die mein Leben gerettet hat, als ich wie tot in dem dunkeln Erdkeller lag!?
?Ja, ich werde mit dir kommen!? sagte Daeumelinchen und setzte sich auf des Vogels Ruecken, mit den Fuessen auf seinen entfalteten Schwingen. Sie band ihren Guertel an einer der staerksten Federn fest, und da flog die Schwalbe hoch in die Luft hinauf, ueber Wald und ueber See, hoch ueber die grossen Berge, wo immer Schnee liegt. Daeumelinchen fror in der kalten Luft, aber darin verkroch sie sich unter des Vogels warme Federn und streckte nur den kleinen Kopf hervor, um all die Schoenheiten unter sich zu bewundern.
Da kamen sie denn nach den warmen Laendern. Dort schien die Sonne weit klarer als hier, der Himmel war zweimal so hoch, und an Graeben und Hecken wuchsen die schoensten gruenen und blauen Weintrauben. In den Waeldern hingen Zitronen und Apfelsinen, hier duftete es von Myrten und Krauseminze, auf den Landstrassen liefen die niedlichsten Kinder und spielten mit grossen, bunten Schmetterlingen. Aber die Schwalbe flog noch weiter fort, und es wurde schoener und schoener. Unter den herrlichsten gruenen Baeumen an dem blauen See stand ein blendend weisses Marmorschloss aus alten Zeiten. Weinreben rankten sich um die hohen Saeulen empor; ganz oben waren viele Schwalbennester, und in einem wohnte die Schwalbe, die Daeumelinchen trug.
?Hier ist mein Haus!? sagte die Schwalbe. ?Aber willst du dir nun selbst eine der praechtigsten Blumen, die da unten wachsen, aussuchen, dann will ich dich hineinsetzen, und du sollst es so gut und schoen haben, wie du es nur wuenschest!?
?Das ist herrlich!? sagte Daeumelinchen und klatschte erfreut in die kleinen Haende.
Da lag eine grosse, weisse Marmorsaeule, die zu Boden gefallen und in drei Stuecke gesprungen war, aber zwischen diesen wuchsen die schoensten grossen, weissen Blumen. Die Schwalbe flog mit Daeumelinchen hinunter und setzte sie auf eins der breiten Blaetter. Aber wie erstaunte diese! Da sass ein kleiner Mann mitten in der Blume, so weiss und durchsichtig, als waere er von Glas; die niedlichste Goldkrone trug er auf dem Kopfe und die herrlichsten, klaren Fluegel an den Schultern, er selbst war nicht groesser als Daeumelinchen. Es war der Blumenelf. In jeder Blume wohnte so ein kleiner Mann oder eine Frau, aber dieser war der Koenig – ueber alle.
?Gott, wie ist er schoen!? fluesterte Daeumelinchen der Schwalbe zu. Der kleine Prinz erschrak sehr ueber die Schwalbe, denn sie war gegen ihn, der so klein und fein war, ein Riesenvogel; aber als er Daeumelinchen erblickte, wurde er hocherfreut; sie war das schoenste Maedchen, das er je gesehen hatte. Deswegen nahm er seine Goldkrone vom Haupte und setzte sie ihr auf, fragte, wie sie heisse und ob sie seine Frau werden wolle, dann solle sie Koenigin ueber alle Blumen werden! Ja, das war wahrlich ein anderer Mann als der Sohn der Kroete und der Maulwurf mit dem schwarzen Samtpelze. Sie sagte deshalb ja zu dem herrlichen Prinzen, und von jeder Blume kam eine Dame oder ein Herr, so niedlich, dass es eine Lust war; jeder brachte Daeumelinchen ein Geschenk, aber das beste von allen waren ein Paar schoene Fluegel von einer grossen, weissen Fliege; sie wurden Daeumelinchen am Ruecken befestigt, und nun konnte sie auch von Blume zu Blume fliegen. Da gab es viel Freude, und die Schwalbe sass oben in ihrem Neste und sang ihnen vor, so gut sie konnte; aber im Herzen war sie doch betruebt, denn sie war Daeumelinchen gut und waere gerne immer mit ihr zusammen geblieben. Am liebsten haette sie sich daher nie von ihr trennen moegen.
?Du sollst nicht Daeumelinchen heissen!? sagte der Blumenelf zu ihr. ?Das ist ein haesslicher Name, und du bist schoen. Wir wollen dich von nun an Maja nennen.?
?Lebe wohl, lebe wohl!? sagte die kleine Schwalbe und flog wieder fort von den warmen Laendern, weit weg, nach Deutschland zurueck; dort hatte sie ein kleines Nest ueber dem Fenster, wo der Mann wohnt, der Maerchen erzaehlen kann, vor ihm sang sie ?Quivit, quivit!? Daher wissen wir die ganze Geschichte.
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