本帖最后由 澄澈 于 2009-5-24 11:22 编辑
Von Graham Porter
Ich kann nicht sagen, daß es mir ausgesprochen Spaß machte, die Siebensachen unserer drei bis neun Jahre alten Kinder im Wagen zu verstauen. Aber ich hatte das Wunder vollbracht – auf die Sekunde pünktlich und noch dazu sehr früh am Tag. Unser Ferienaufenthalt an dem großen See war zu Ende; ich eilte in unser Häuschen, wo meine Frau gerade den letzten Sand hinausfegte.
„Es ist halb sieben – wir müssen losfahren“, sagte ich. „Wo sind die Kinder?“
Evi stellte den Besen weg. „Ich habe ihnen erlaubt, ein letztes Mal zum Strand hinunterzulaufen.“
Ärgerlich über diesen Eingriff in meinem sorgfältig ausgearbeiteten Reiseplan schüttelte ich den Kopf. Wozu hatten wir es auf uns genommen, vor Tagesanbruch aufzustehen, wenn wir nicht vor Einsetzen des schlimmsten Verkehrs unterwegs waren? Schließlich hatten die Kinder zwei sorglose Wochen hinter sich, in denen sie nach Herzenslust Sandburgen gebaut und das kilometerlange Seeufer nach wunderbaren Steinen abgesucht hatten. Und heute brauchten sie sich’s nur im Wagen bequem zu machen, während ich den langen Heimweg bewältigen mußte.
Ich ging über die Veranda hinaus. Dort unten am Strand hinter den gewellten Dünen waren meine vier Sprößlinge zu sehen. Sie hatten die Schuhe ausgezogen und gingen auf Zehenspitzen ins Wasser. Jedesmal, wenn eine Welle ihre Beine überspülte, sprangen sie unter hellem Gelächter hoch; offenbar wollten sie sehen, wie weit man hinauswaten konnte, ohne sich die Kleider naß zu machen. Das brachte mich nur noch mehr auf, denn ich wußte ja, daß ihre trockenen Kleidungsstücke samt und sonders unerreichbar im vollgestopften Kofferraum des Wagens lagen.
Ich legte die Hände an den Mund, um meine Kinder auf der Stelle heraufzuzitieren. Aber die scheltenden Worte erstarben mir auf den Lippen. Die niedrigstehende Morgensonne legte einen goldenen Strahlenkranz um die vier spielenden Gestalten. Ihnen blieb ja nur diese Minute, um den letzten Tropfen Freude aus Sonne, Wasser und Himmel zu saugen.
Je länger ich ihnen zusah, desto zauberischer erschien mir diese Szene, denn sie würde etwas Einmaliges bleiben. Wer weiß, welche Veränderungen das Leben uns im Laufe des nächsten Jahres oder gar der nächsten zehn Jahre bringen würde! Das einzig Wirkliche war dieser Augenblick, waren dieser glitzernde Strand und diese Kinder, meine Kinder, in deren Haar das Sonnenlicht sich fing und deren Lachen sich in das Rauschen von Wind und Wellen mischte.
Mit einemmal verstand ich nicht mehr recht, warum ich unbedingt um halb sieben hatte aufbrechen wollen, warum ich hinausgestürzt war, um meine Kinder auszuschelten. Hatte ich es der Disziplin wegen getan, oder war ich einfach nörgelig, weil ein langer Tag am Steuer vor mir lag? Schließlich stand ja kein Preis darauf, daß wir Schlag halb sieben abfuhren. Und wie konnte ich hoffen, jetzt und später in Kontakt mit meinen Kindern zu bleiben, wenn ich die Erinnerung an die eigene Jugend nicht wachhielt?
Vom Ufer unten winkte meine älteste Tochter mir auffordernd zu, und nun winkten auch die anderen Kinder und riefen, Evi und ich sollten herunterkommen und uns an dem Spaß beteiligen. Nur einen Augenblick zögerte ich, dann lief ich ins Haus und packte meine Frau bei der Hand. Halb springend, halb rutschend liefen wir durch die Dünen zum Strand hinunter; wir schleuderten die Schuhe von uns, Evi krempelte den Rock und ich die Hosenbeine hoch, und so wateten wir mit gespieltem Heldenmut an unseren Kindern vorbei weit hinaus, bis Evi ausrutschte und, mich absichtlich mit sich ziehend, quietschend ins Wasser plumpste.
Wenn ich heute, nach Jahren, an das herzliche, wunderbar kameradschaftliche Gelächter der Kinder an jenem Morgen denke, wird mir noch immer warm ums Herz. Und wenn sie ihre Erinnerungen auffrischen, gehört diese weit zurückliegende Szene, um die ich sie beinahe betrogen hätte, zu ihren kostbarsten Erlebnissen. |