Ein schlechter Tausch, spürt Coraline, den Eingang zur Seele wegzugeben, und ihr gehen die Augen für vieles auf. Sie erkennt, dass die Eltern sie - trotz ihrer Unzulänglichkeiten - lieben. Sie durchschaut den falschen Schein des fehlerlosen Paradieses und entscheidet sich für die Welt mit Pickeln. Sie blickt sogar - trotz der Knöpfe - in die Seele der bösen Mustermutter und begreift, wie Einsamkeit sie zu einem besitzergreifenden Monster werden ließ. Sie wird, kurz gesagt, erwachsen. Der Tunnel ist wie eine ausgehöhlte Nabelschnur, und indem sie diese durchschreitet, nabelt sie sich ein zweites Mal ab.
Ein derartiger Reifegrad allein ließe "Coraline" schulterhoch aus der Masse des gegenwärtigen Trickfilmangebots ragen. Doch Henry Selicks ungemein verspieltes, verschrobenes, originelles Werk ist noch eines weiteren Grundes wegen ein Solitär: In einer Zeit, in der die Trickfilmherde besinnungslos der Computeranimation hinterher trampelt, stellt sich Selick mutig in den reißenden Strom und hält seine Fahne mit der Parole hoch: "Es gibt eine Alternative!"
Und was für eine! Dreieinhalb Jahre haben Selick und sein Team immer wieder die Kamera angehalten, ihre Puppen einen Millimeter weiterbewegt, erneut ein Bild gefilmt und so fort. Stopptrick heißt das Verfahren, und von seinen einst vielen Anwendern sind nur noch zwei prominente übrig geblieben, Selick und der "Wallace und Gromit"-Erfinder Nick Park. Es ist arbeits- und zeitintensiv, belohnt jedoch mit einer unvergesslichen Seherfahrung.
Selick ist ein moderner Meister Gepetto, der seinen regungslosen Pinocchios Leben im Überfluss einhaucht. Die Detailvielfalt ist atemberaubend, von Miniaturperücken über wabernden Nebel bis zu den Sternen des Abendhimmels - nichts ist dem Computer entsprungen, alles Abbild realer Existenz.
"Coraline" wurde, um die Marktchancen zu erhöhen, in 3D gedreht. Es wird interessant, ihn mit computeranimierten 3D-Filmen zu vergleichen. Denn die dritte Dimension, die dort aufwendig vom Rechner hinzugefügt werden muss, war hier ja bereits vorhanden: Dreidimensionale Figuren wurden aufgenommen. Die Brille, die wir aufsetzen, simuliert also keinen Zustand, sondern stellt Realität wieder her.
Die 3D-Effekte springen nicht ins Auge, sondern sind subtil eingesetzt, wie wenn Coraline Sammelbildchen auf die Scheibe klebt. Wir blicken von draußen darauf, erkennen Regentropfen, die herab rinnen, und erst allmählich wird uns die ganze Tiefe der Küche bewusst, die sich hinter der Scheibe erstreckt. 3D-Bilder sind, weil durch die getönte Brille gesehen, auch generell dunkler als normale Kinobilder (man sieht den Unterschied, wenn man die Brille abnimmt), aber selbst diese Düsternis steht der Geschichte gut zu Gesicht.
Ein schlechter Tausch, spürt Coraline, den Eingang zur Seele wegzugeben, und ihr gehen die Augen für vieles auf. Sie erkennt, dass die Eltern sie - trotz ihrer Unzulänglichkeiten - lieben. Sie durchschaut den falschen Schein des fehlerlosen Paradieses und entscheidet sich für die Welt mit Pickeln. Sie blickt sogar - trotz der Knöpfe - in die Seele der bösen Mustermutter und begreift, wie Einsamkeit sie zu einem besitzergreifenden Monster werden ließ. Sie wird, kurz gesagt, erwachsen. Der Tunnel ist wie eine ausgehöhlte Nabelschnur, und indem sie diese durchschreitet, nabelt sie sich ein zweites Mal ab.
Ein derartiger Reifegrad allein ließe "Coraline" schulterhoch aus der Masse des gegenwärtigen Trickfilmangebots ragen. Doch Henry Selicks ungemein verspieltes, verschrobenes, originelles Werk ist noch eines weiteren Grundes wegen ein Solitär: In einer Zeit, in der die Trickfilmherde besinnungslos der Computeranimation hinterher trampelt, stellt sich Selick mutig in den reißenden Strom und hält seine Fahne mit der Parole hoch: "Es gibt eine Alternative!"
Und was für eine! Dreieinhalb Jahre haben Selick und sein Team immer wieder die Kamera angehalten, ihre Puppen einen Millimeter weiterbewegt, erneut ein Bild gefilmt und so fort. Stopptrick heißt das Verfahren, und von seinen einst vielen Anwendern sind nur noch zwei prominente übrig geblieben, Selick und der "Wallace und Gromit"-Erfinder Nick Park. Es ist arbeits- und zeitintensiv, belohnt jedoch mit einer unvergesslichen Seherfahrung.
Selick ist ein moderner Meister Gepetto, der seinen regungslosen Pinocchios Leben im Überfluss einhaucht. Die Detailvielfalt ist atemberaubend, von Miniaturperücken über wabernden Nebel bis zu den Sternen des Abendhimmels - nichts ist dem Computer entsprungen, alles Abbild realer Existenz.
"Coraline" wurde, um die Marktchancen zu erhöhen, in 3D gedreht. Es wird interessant, ihn mit computeranimierten 3D-Filmen zu vergleichen. Denn die dritte Dimension, die dort aufwendig vom Rechner hinzugefügt werden muss, war hier ja bereits vorhanden: Dreidimensionale Figuren wurden aufgenommen. Die Brille, die wir aufsetzen, simuliert also keinen Zustand, sondern stellt Realität wieder her.
Die 3D-Effekte springen nicht ins Auge, sondern sind subtil eingesetzt, wie wenn Coraline Sammelbildchen auf die Scheibe klebt. Wir blicken von draußen darauf, erkennen Regentropfen, die herab rinnen, und erst allmählich wird uns die ganze Tiefe der Küche bewusst, die sich hinter der Scheibe erstreckt. 3D-Bilder sind, weil durch die getönte Brille gesehen, auch generell dunkler als normale Kinobilder (man sieht den Unterschied, wenn man die Brille abnimmt), aber selbst diese Düsternis steht der Geschichte gut zu Gesicht.
http://www.welt.de/die-welt/kult ... n-Angst-gut-so.html |